steirischer herbst'22

Festival: Krieg, Kunstgeschichte und Kabarett

Text: Lydia Bißmann - 30.06.2022

Rubrik: Kunst

Krieg als Thema der 5. Festivalausgabe unter der Intendanz von Ekaterina Degot.

Von 22. September bis 16. Oktober findet die fünfte Edition des steirischen herbst unter der Intendanz von Ekaterina Degot statt.

Der steirische herbst ’22 hat schon im Sommer begonnen. Seit 1. Juli läuft in der Neuen Galerie die Sonderausstellung "Ein Krieg in der Ferne. Prolog. Die umkämpfte Ukraine in Videokunst und Film" kuratiert von Mirela Baciak und David Riff. Sie zeigt historische und zeitgenössische Videokunst und Filme, die sich mit dem völkerrechtlichswidrigen Einmarsch Russlands ins Nachbarland beschäftigen. Ein Krieg, der schon seit acht Jahren existiert und trotzdem erst seit 24. Februar so erschreckend nahe in unser Bewusstsein gerückt ist. Die Sonderausstellung ist ein Einschub. Chefintendantin Ekaterina Degot hatte sich aber schon davor für das Thema Krieg als Motto entschieden. „Kriege sind in die Geschichte des steirischen herbst eingeschrieben. Während frühere Festivalausgaben von Kalten Krieg überschattet wurden, fanden spätere statt, als gleich nebenan die Jugoslawienkriege wüteten. Der russische Angriff auf die Ukraine ruft auf schmerzhafte Weise verblichene Erinnerungen an den Ersten und Zweiten Weltkrieg wach und bildet den neuesten Eintrag in dieser langen Liste drohender Kämpfe in der unmittelbaren Nachbarschaft.“ Die Front ist zwar relativ weit weg, der steirische herbst’ 22 holt sie aber in die Stadt und macht den Krieg zum Thema der 55. Festivalausgabe. Eröffnet wird am 22. September mit einer Performance am Grazer Hauptplatz. Auch die herbstbar ist endlich wieder zurück. Nach zwei Jahren "Sperrstunde" zieht sie dieses Jahr ins Café Mild in der Stubenberggasse ein. Mit Musik, Quiz und Kabarett.

Für den steirischen herbst '22 wird der alte Eingang der Neuen Galerie in der Neutorgasse wieder aktiviert. (Foto: UMJ)

Die dunkle Seite der Moderne

Der steirische herbst erfindet sich ja immer wieder neu. Dieses Jahr tut er das als eine Art kunsthistorisches Museum. In der Neuen Galerie Graz, die für das Festival über den ehemaligen Haupteingang des Gebäudes in der Neutorgasse zu betreten ist, ist als Herzstück des Festivals eine Ausstellung zum Thema Krieg mit Werken aus dem 19. und 20. Jahrhundert zu sehen. Zeitgenössische Kunstprojekte werden den Artefakten, die vom Festivalteam aus dem Depot ausgesucht wurden, gegenübergestellt. Vieles davon erscheint auf den ersten Blick arglos, anderes ist verstörend politisch. Die Ausstellung stellt klassische Narrative der Moderne infrage und begibt sich auf die Spuren ignorierter Kriege, verborgener Geschichte und unterdrückter Konflikte. Sie will die Vergangenheit und Gegenwart miteinander verbinden und legt offen, dass Kriege immer mit Klassenkampf, Kolonialismus und nicht zuletzt Unterdrückung der Frauen zu tun haben. Die Ausstellung, die in Kooperation mit der Neuen Galerie Graz/ Universalmuseum Joanneum konzipiert wurde, läuft noch bis zum 12. Februar 2023.

(Sujet: Grupa Ee)

Lachen als (Er)Lösung

Das Forum Stadtpark zeigt eine Ausstellung des Filmemacher Harun Farocki, der in seinen unzähligen filmischen Essays die Kriege des 20. und 21. Jahrhunderts behandelt. Ebenfalls im Forum wird die Tradition des politischen Kabaretts wiederbelebt. "Wenn man aufhört zu lachen, stirbt man", wusste schon Satiriker und Essayist und einer der wichtigsten Verfasser von politischem Kabarett der Weimarer Republik, Kurt Tucholsky, der sich wenige Jahre nach seinem literarischen Verstummen für den Freitod im Exil entschied. Die 20er-Jahre des 20. Jahrhunderts ähneln auf beängstigende Weise den aktuellen 2020ern, samt Pandemie, Verschwörungstheorien und tiefer Spaltung in der Gesellschaft, als alles in einer großen Katastrophe endete, der angewandtesten und furchtbarsten Gesellschaftskritik überhaupt, dem Krieg. Im herbstkabarett werden an drei Samstagen im Oktober Verena Dengler, eSeL (Lorenz Seidler) und Les Trucs vertreten sein. Neu ist dieses Jahr eine Zusammenarbeit mit den Nachbarn im Palais Attems, dem Literaturmagazin manuskripte. Der steirische herbst steuert hierfür eine Sonderrubrik mit Kriegstagebüchern und -gedichten aus der Ukraine bei. Ausgesucht wurden sie von der Lyrikerin Galina Rymbu. Das performative Programm bietet Auftragsarbeiten zum von Boris Charmatz, Boris Nikitin, Theater im Bahnhof, Giacomo Veronesi, Ming Wong und Raed Yassin. Der steirische herbst ’22 findet von 22.9. bis 16.10. in Graz und der Steiermark statt, wie gewohnt begleitet vom musikprotokoll, dem Literaturfestival Out of Joint. Ergänzt wird das Festival außerdem von rund 20 Institutionen und Kunstschaffenden in Graz und in der Steiermark. Zu den Projekten außerhalb der Stadt werden Bustouren angeboten. Das vollständige Programm und Onlinetickets sind ab 1. September erhältlich.

Im Forum Stadtpark wird eine Ausstellung über Harun Farocki zu sehen sein. (Foto: Андрей Романенко)