Verflochtene Räume zwischen Celje und Graz im <rotor>

Ausstellung: This Is My City. Is This My City?

Text: Sigrun Karre - 16.06.2025

Rubrik: Kunst

Helene Thümmel: Bedrohte Orte

Wie entsteht Stadt? Die Ausstellung "Das ist meine Stadt. Ist das meine Stadt? This Is My City. Is This My City?" zeigt von 14. Juni bis 2. August 2025 im <rotor> – Zentrum für zeitgenössische Kunst in Graz, künstlerische Perspektiven auf urbane Räume als Gewebe aus Erinnerungen und kollektiver Fantasie. Zehn Positionen aus Graz und Celje verhandeln Zugehörigkeit, Veränderung und flüchtige Stadterfahrung.

Städte sind keine festen Größen. Sie verändern sich – beim Verlassen, beim Ankommen, manchmal schon im Blick. Zehn Künstler:innen aus Graz und Celje nähern sich in ihren Arbeiten der Stadt nicht erklärend, sondern fragend: Was bleibt, wenn man urbane Strukturen Schicht für Schicht auflöst – wie ein Gewebe, das sich entwirrt? Wer gehört wohin? Und was bedeutet Zugehörigkeit im urbanen Raum?

Kuratiert wurde die Ausstellung von Lara Almbauer, Iris Kasper und Nastia Khlestova, die sich im Rahmen eines steirisch-slowenischen Austauschprogramms mit Celje auf Spurensuche begeben haben. Die erste Station war dort, nun folgt die Grazer Version – keine einfache Wiederholung, sondern eine Neuverhandlung im lokalen Kontext.

Was auffällt: In jedem Ausstellungsraum tauchen textile Elemente auf – als Teppich, bestickter Stadtplan oder bedrucktes Tuch. Gerade diese „soften“ Materialien erzählen von Verbindungen; sie tragen nicht nur Bild und Inhalt, sondern auch Atmosphäre. Ihre Präsenz wirkt beiläufig, organisch – wie ein feines Gewebe, das sich durch die Ausstellung zieht: aus Sichtweisen, Geschichten, tastenden Annäherungen an das, was Stadt sein kann. Vielleicht auch als Hinweis auf die poröse Struktur von Erinnerung – und auf das Vorläufige, das Patchworkhafte des Urbanen: etwas, das entsteht, sich auflöst, neu zusammengesetzt wird.

Ausstellung: Das ist meine Stadt. Ist das meine Stadt? This Is My City. Is This My City?

Mojca Senegačnik: Plan von Celje

Sticknadel auf der Landkarte

Gleich beim Eingang: ein Faden. Mojca Senegačnik lädt ein, Graz zu besticken – Lieblingsorte mit Knöpfen zu markieren. Eine Stadt als kollektive Erinnerungskarte, wachsend mit jedem Besuch. Daneben: Karin Vrbeks dystopische Inselgeschichte in Beton und Video, eine poetische Meditation über Innen- und Außenräume – und darüber, wie beides ineinandergreift. Ihre Protagonistin wandert durch einen versehrten Stadtraum, zwischen Verdrängung und Verwandlung.

Auch in Raum 2 wird gestickt, gewoben, kartiert: Luise Höggerl legt zwei Teppiche aus, Stadtansichten zwischen Lärm und Wehmut. Ein Rückblick, ein Aufbruch. Der farbige Teppich verweist auf Graz – als emotionale Landschaft. Der Zweite, in Schwarz-Weiß, abstrahiert das Bild der Stadt zu einem Muster urbaner Verdichtung.

Anton Tkachenkos Arbeit erzählt von einer Stadt, die man nicht ganz erreicht – und von einem Körper, der darin keinen Platz findet. Seine Materialien wirken wie Fragmente einer Erinnerung, die noch keinen neuen Boden gefunden hat.

 

Ausstellung: Das ist meine Stadt. Ist das meine Stadt? This Is My City. Is This My City? Absatz

Anton Tkachenko: Wem gehört die Stadt?

Stadt als Verhandlungssache

Helene Thümmel arbeitet mit fotografischem Material, das sie mittels KI verändert und atmosphärisch auflädt. Die dabei entstehenden Bilder zeigen urbane Räume im Umbruch – Bedrohte Orte, die kippen, verschwinden, sich neu erfinden. Ihre Seidendrucke wirken wie fragile Überblendungen von Sichtbarem und Möglichkeitsraum. In jeder Falte ein Umbruch.

Andreja Džakušič zerdrückt Tomaten mit den Füßen – ihre Performance Bloody Mary wird Mitte Juli neu aufgeführt. Sie verwandelt sich selbst in ihr Werkzeug. Stadt erscheint hier als etwas, das man nicht nur denkt, sondern mit Händen und Füßen verhandeln muss.

Maja Hodošček setzt ein Leuchtsignal: RESPONSE-ABILITY – ein Wortspiel, das Verantwortung nicht fordert, sondern zeigt, wo sie sich – sprachlich – versteckt. Wer bleibt übrig, wenn die Stadt kein Gegenüber mehr ist?

Mojca Senegačnik ist ein zweites Mal da: mit einer Stickerei, die auch Tischdecke ist – als Einladung zum Gespräch. Eine Arbeit, die sich nicht abschließt, sondern im Miteinander weiterwächst.

Hinten dann zwei Arbeiten, die in Bewegung sind: Daniela Brasil hat mit Kindern fliegende Fische gebastelt – Wesen, die weder Grenzen noch Begrenzungen kennen. Zwischen zwei Schulen, zwei Ufern, zwei Sprachen entsteht ein „temporäres Wir“.

Und Mark Požlep fährt mit einem Boot durch Gents Kanäle: ein cinematischer Blick auf urbane Transformation, kollektives Gedächtnis und das Fließen von Zeit. Das Wasser trägt Geschichten, manchmal auch die, die niemand hören will.

Draußen im Hof liegt zweintopfs Langer Atem: eine aufblasbare Freiheitsstatue. Steht nur, wenn man mit vereinten Kräften pumpt. Eine treffendere Metapher lässt sich derzeit schwer finden. Ist die Luft erst mal draußen, kippt die Demokratie. Also: Luft holen und dranbleiben.

Am Ende verlässt man die Ausstellung mit Bildern und Perspektiven, die ein vertrautes Wissen erfahrbar machen: Eine Stadt besteht nicht nur aus Stein, sondern aus dem, was zwischen Menschen geschieht. Und aus Erinnerungen, die eingeschrieben sind, wie eine feine Spur im Gewebe der Dinge.

Ausstellung: Das ist meine Stadt. Ist das meine Stadt? This Is My City. Is This My City?

Daniela Brasil: Fliegende Freiheit

Die Ausstellung findet im Rahmen des EU Projekts Art Space Unlimited statt.