Chakren-Lehre, Triggerfilme und Spacebotschaften

Ausstellung: Systems of Belief, Halle für Kunst

Text: Lydia Bißmann - 24.09.2022

Rubrik: Kunst

Das Studio von Lee Scratch Perry in der Halle für Kunst nachgebaut. (Credit: Lydia Bißmann).

Die groß angelegte Gruppenausstellung Systems of Belief zeigt in der Halle für Kunst noch bis 8. Jänner Bilder, Videos und Installationen, die die sich mit alternativen Glaubenssystemen auseinandersetzen. Die Ausstellung ist Teil des Parallelprogramms steirischer herbst’22.

Was anfangs kompliziert und anstrengend klingt, ist in der Praxis eine luftig gestaltete Schau, für die Kuratorin Cathrin Mayer Künstler*innen aus mehreren Generationen zusammengesucht hat, die unterschiedlicher gar nicht sein können. Hier gibt es sorgfältig gestaltete Esoterik Schautafeln aus den 70er-Jahren vom Untergrundkünstler Paul Laffoley oder poetisch-psychedelische Filme von der jungen Filmemacherin Antonia De La Luz Kašik oder der New Yorkerin Storm de Hirsch. Fast außerirdisch schön in Erscheinung und Konzept ist eine Flinserlskulptur von Richard Kriesche aus Gold, die bislang nur als Teil eines steirischer herbst Happenings, das 1991 Botschaften ins All schickte, nur in einem Hotelzimmer zu sehen war. Ausgewählte Personen konnten damals in der extra angemieteten Suite übernachten und sich auch ein Stück des aus lauter Ohrsteckern zusammengesetzten Objekts mitnehmen. Gleich daneben sind die Originalwände der jüngst verstorbenen Reaggae-Dub Ikone Lee Scratch Perry aufgebaut. Der Musiker verlagerte das Motiv des musikalischen Sampelns in seinem Schweizer Studio mit jeder Menge für ihn wichtigen Kleinkram, Figuren, religiösen Bildern und Tags in den Raum. Marta Riniker-Radich verzichtet in ihren Bildern auf menschliche Figuren und setzt sich darin mit den männlich geprägten Machtstrukturen in der Architektur auseinander. Ein Werk zeigt etwa das Shamrock Hotel eines amerikanischen Öltycoons, das wegen seiner Erscheinung von Frank Lloyd Wright als “Architektur der Geschlechtskrankheiten” bezeichnet wurde.

Die Artsat_Space_Message_Sculpture wird zum ersten Mal seit 1991 in der Öffentlichkeit gezeigt. (Credit: Lydia Bißmann).

Abkehr vom neoliberalen Technik-Tunnelblick

Die gemeinsame Absicht hinter allen Werken ist durchwegs jene, der technokratischen Gesellschaft mit ihrem unbedingten Wissenschaftsglauben den Finger zu zeigen. Die Künstler*innen, die bei Systems of Belief gezeigt werden, wenden sich einer irrationalen, poetischen und nichtkapitalistischen Welt zu, wo nicht alles Sinn ergeben muss, aber für den Einzellen immer darf. Tools der Technik und Digitalisierung werden aber trotzdem benutzt. Antonia De La Luz Kašik hat sich für ihre 16 mm-Filmkamera aus dem 3D-Drucker neue Objektive geprintete, die ihre Aufnahmen in kaleidoskopartige Bildgedichte verwandeln. Harm van den Dorpel nutzt NFT-Technologie, um in seinen an den Zufalls-Mathematiker Andrei Andrejewitsch Markow angelegten Arbeit, Bilder zu generieren, die sich ständig selbst neu erfinden. Die knallbunten, an Mikroskopaufnahmen von Zellen erinnernde Formationen tragen sie die Namen eines Schlafmittels, der Partydroge Ketamin oder einem Aphex Twin Album. Das alles ist lustig, aufregend, entspannend und inspirierend zugleich. Sitzsäcke laden zum artgerechten Verweilen vor den Filmbeiträgen ein. Begleitet wird die Ausstellung von Artist Talks, Lectures, Vorträgen, Diskussionen und nicht zuletzt einer Tarot Kartenlegesession.

Harm van den Dorpel, Markov’s Dream, Keta, 2022, Courtesy der Künstler & Upstream Gallery, Amsterdam.