Musik aus Wien für die Schattenseiten im Leben
Albumkritik: ‘Ende nie’ von Wanda
Text: Lydia Bißmann - 06.06.2024
Auf dem neuen Album Ende nie lässt die Band Wanda den Wohlfühlsound hinter sich und beschäftigt sich, geschuldet den tragischen Ereignissen rund um die Band, mit dunkleren Themen, die an der Aura der jugendlichen Unverwundbarkeit kratzen.
Die Musik am 12-Nummern-Album Ende nie ist gewohnt fundiert und funktionell (Beine und Herz zucken automatisch beim Anhören) durch eine kluge Mischung aus Pop, sachtem Trash und auf den Punkt gespielten Indie-Riffs. Den Superohrwurm oder die barrierefreie Liebesballade sucht man aber vergeblich. Dafür gibt es viel Stoff für weniger prickelnde Lebenssituationen, für Durchhänger, Verlust und Selbstzweifel.
V.l.n.r.: Manuel Christoph Poppe (Leadgitarre), Reinhold Weber (Bass) und Marco Michael Wanda (Gesang, Rhythmusgitarre). (Credit: Luis Engels)
Kater im Prater – Verzweiflung und Verlust
Der erste Song des lang erwarteten Albums verspricht mit dem Titel: Bei niemand anders viel und hält auch einiges durch eingängige Gitarrenriffs, ein ernstes Keyboard und Langsamkeit, die der Lage Respekt zollt. Es geht um die Angst vor dem Sterben, das als Feuer- und Sandsturm besungen wird, aber Marko Wanda kauft eine billige Uhr, auf der die Zeit nie stimmt. Dieser Satz ist der schönste auf der ganzen Platte. Gewidmet ist der Song dem nach langer Krankheit verstorbenen Bandmitglied Christian Hummer. Wenn man das weiß, wirkt der für Wanda unüblich gehaltene Text ohne die verspielte Poesie des Alltags schlüssig und innig, es gibt eben viel zu wenig Zwischentöne für das drohende Nichts. (Und deine Angst vor dem Ende ist so alt wie die Menschheit selbst, und wenn du glaubst, dass es endet, bin ich hier und ich halt dich fest!”). Das Keyboard sorgt mit ernsten Anschlägen und gefasster Langsamkeit fürs Frosch-im-Hals-Gefühl. Dafür gab es beim Amadeus Award 2024 die sechste Auszeichnung für die Band, in der Kategorie bester Song. Schneller geht es bei der zweiten Nummer YouTube zu, bei der gereimt wird. Es geht um Lieder, die an schlimme Dinge (mir war immer nur schwindlig, es war tausendmal Nacht …) erinnern, Trennung, Krankheit vom Papa – genaueres wird nicht erläutert. Reim und Gitarre bestreiten den Song, die man gerne wieder von vorn spielen will. Noch poppiger wird es bei Therapie. Fundierte, schnelle Schlagzeugbeats lotsen durch Gefühlsnahaufnahmen, die, lose aneinander gebunden (und du nimmst dir deine Zeit, das ist wichtig wie noch nie, das ist genau der Scheiß, den man lernt in Therapie) Sinn ergeben. Das ist sexy, auch wenn die Lyrics dann im Refrain mehr an Küchenpsychologie erinnern. Trotzdem ein Lied, das man im Auto mit offenem Fenster gut mit trällern kann – wenn man sich traut.
Marco Wanda gewann mit seiner Band sechs Amadeus-Awards. (Credit: Maximilian König)
Lebenshilfe mit Esprit
Sphärisch, aber frech (das Keyboard benimmt sich ein wenig wie eine Hammondorgel) wird es bei: Sie steht nicht auf dich. Ein sehr praktisches Mantra für liebeskranke Menschen, die das nicht oft genug hören sollten. In dem Song: Keine Angst wird wieder eine wohlbekannte, komplizierte zwischenmenschliche Situation mit einer Melodie, wie aus einem Guss umschlungen. Beziehungen sind sperrig, das Zusammenspiel von Drums, Gitarre und Stimme umso einfacher, geht unter die Haut und lullt angenehm ein. Ich hör dir zu ist eines der besten Lieder des Albums, das nach einem großen Intro, ein wenig an der Stelle scharrt. Der Reim ist kantiger, das Keyboard dafür mehr ein Piano, Markos Stimme legt sich geschmeidig dazu in die Zwischenbeats. Auch Wachgeküsst bietet Altbekanntes und Bewährtes aus der Wand-Songschmiede – der Song hat Drive, geht gut ins Ohr und pfeffert den Pop mit Praterstimmung durch den Orgelsound. Zärtlich und universell brauchbar ist: Woher soll ich wissen als schlichter und trotzdem abgeklärter Lovesong mit Energie und Dynamik und profunden Indierhythmen. Jeder kann es sein, lässt mehrere Stimmen erklingen, ist melodisch und textlich melancholisch. Ende nie kokettiert mit Schlagertempi, persifliert sie aber durch die Tiefe und Echtheit der Lyrics. Gepfiffene Passagen erinnern an Chansons aus französischen Filmen, die schlecht ausgehen, verbinden einen Hauch an Fluffigkeit mit eleganter Traurigkeit. Immer Ok hat einen guten Rhythmus, klingt aber etwas verloren. Eine Ballade mit Benefits ist das letzte Stück: Niemand was schuldig. Sicher der tiefgründigste Text der ganzen Platte – es lohnt sich, ihn öfter anzuhören, nicht alles erklärt sich sofort, aber man spürt die Richtung und geht gerne mit auf diesen Spaziergang.
Ende nie, das sechste Studioalbum der österreichischen Band Wanda (erschien am 7. Juni 2024 bei polydor.)