Kunst im öffentlichen Raum
Rüstige Ritter und optische Illusionen in Graz
Text: Text: Lydia Bißmann - 14.04.2022
Rubrik: Kulturland Steiermark
Für Kunstgenuss muss man nicht unbedingt ins Museum. Der Grazer Außenraum ist voll mit Kunstobjekten und Fassaden, die Geschichten erzählen, zum Nach- und Mitdenken anregen oder zur Interaktion einladen.
Ein Schneemann im Sommer, eine eigene Freiheitsstatue, Lenins Füße in Beton, eine Kirche mit einem Lichtschalter oder zwei überdimensionale riesengroße Ringhälften, die daran erinnern, dass vorwiegend Männer auf Büsten und Statuen geehrt werden. Graz ist voll mit unzähligen Kunstwerken, die sich mit der Stadt, ihren Bewohnern und der Frage nach der Bedeutung des öffentlichen Raums beschäftigen. Öffentlicher Raum sind Flächen, die für alle Menschen frei zugänglich sind und der Allgemeinheit gehören. Die Kommune verwaltet, pflegt und betreut Parks, Plätze, Verkehrs- und Grünflächen. Wer etwas auf Gemeinflächen aufstellen möchte, muss um eine Genehmigung ansuchen, damit kein Chaos entsteht.
Zwölf Stunden mühevolle Klebearbeit verwandelten einen Zweckbau am Lendplatz in Kunst. (Foto: zweintopf)
Altbekanntes neu entdecken
Die Emanzipation des Bürgertums im 19. Jahrhundert und der Demokratisierungsprozess brachten auch das Verlangen nach öffentlich zugänglicher Kunst mit sich. Der Kunstgenuss sollte für alle zugänglich werden und nicht mehr hinter verschlossenen Türen stattfinden. So kann man heute in den Hof des Priesterseminars spazieren und Manfred Erjautz Schneemannskulptur dabei zusehen, wie er sich in einer ewigen Pfütze selbst betrachtet. Im Zugang zum Landhaus findet man einen riesige Spiegelinstallation mit Botschaft. Der Lichtschalter von Valentin Ruhry an der Andräkirche ist auch in der Nacht sichtbar. Im LKH-West kann man neben riesigen Erythrozyten-Skulpturen auf seine Befunde warten. Kunst im öffentlichen Raum ist barrierefrei. Sie ist für alle zugänglich und kostenlos für den Betrachter. Man kann die Kunst in Graz sogar selbst mitgestalten: In der Sackstraße hat Erwin Wurm eine Skulptur errichtet, die nach Belieben inszeniert werden kann. Die Sockel one minutes für Graz laden zur Interaktion ein. Man kann sich draufstellen und nach Anleitung Skulptur spielen. Die Selfie-Kultur gibt dem Werk, das seit 2004 vor dem Domenig-Spitz steht, eine ganz neue Dimension. Viele Kunstwerke werden im gewohnten Raum gar nicht mehr bewusst wahrgenommen. Wie selbstverständlich sind sie Teil des Alltagspanoramas und fallen oft nur auf, wenn sie plötzlich fehlen.
MANFRED ERJAUTZ Das Erforschen der Dauer / Searching into Permanence, 2005, Brunnenskulptur . (Foto: Diözese Graz-Seckau/Caroline Heider)
Kunst im Hinterhof: Streetart und Graffiti
Streetart und Graffiti sind spätestens seit Banksy salonfähig geworden. In Micro-Galleries in der Rosenkranz- und der Niesenbergergasse finden sich gesprayte und gemalte Werke internationaler und heimischer Street-Art-Künstler. Alte und moderne Ikonen begegnen sich hier: Die heilige Elisabeth ist neben Kinderhelden wie den Fischen Nemo und Dori zu sehen. Am Griesplatz hat man Marcel Duchamps Fountain malerisch seinen Respekt erwiesen. Ein andere Form von Streetart ist am Lendplatz zu finden. In mühevoller Kleinarbeit wurden die Lamellen der Außenseite eines Stromkasten-Häuschens vom Kollektiv zweintopf mit grauem Isolierband so beklebt, dass sich daraus das Wort Monument ergibt. Es lässt Gedanken daran aufkommen, dass sich schlagartig alles ändern kann, wenn das große Blackout kommt.
Ein Denkmal für ein Denkmal: Anna Jermolaevas Werk vor dem Geschichteinstitut der Uni Graz.( Foto: Jermolaeva)
Eine App für Installationen, Denkmäler und Co.
Das Institut für Kunst im öffentlichen Raum (KIÖR) unterstützt, berät und begleitet Kunstschaffende bei der Konzeptionierung, Vermittlung und Realisierung ihrer Projekte im öffentlichen Raum. Netzwerke, Kommunikationskanäle und organisatorisches Know-how werden als Ressourcen zur Verfügung gestellt. Noch vor dem Sommer 2022 soll auch eine App für Kunst im öffentlichen Raum in Graz präsentiert werden. In Kooperation mit dem Studiengang Informationsdesign an der Fachhochschule Joanneum wurde bereits 2019 begonnen, eine App für Smartphones zu entwickeln, die Kunst im öffentlichen Raum im digitalen Raum sichtbar macht. Diese Beiträge werden vom Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark selbst, aber auch von User*innen in die App gespielt, um so den Inhalt stetig wachsen zu lassen.