Kinder-Konzerte des Berliner Musikers und KomödiantenSven van Thom
Nachgefragt: Sven van Thom
Text: - 07.04.2023
Rubrik: Musik
Brauchen Kinder ihre eigene Pop-Musik?
Wenn ich an meine eigene Kindheit zurückdenke, dann hätte ich mich damals ganz bestimmt darüber gefreut, wenn es mehr Popmusik mit kindgerechten Themen gegeben hätte. In Ermangelung daran habe ich eben Schlager mit meinem Großvater gehört – die haben mich auch gut unterhalten, hatten textlich aber nichts mit meiner Lebensrealität zu tun. Von daher finde ich es super, dass es heute so viel gute Popmusik für Kinder im Vor- und Grundschulalter gibt. Ob Kinder diese jedoch wirklich brauchen, das müsste man wohl die Kinder selber fragen.
Du machst auch deutschsprachigen Pop mit Hang zu Schlager und Aberwitz, ganz ohne Altersempfehlung. Wie bist du auf die Idee gekommen, Kinderlieder zu schreiben?
Die Idee spukte schon ein paar Jahre in meinem Hinterkopf herum. Eine Freundin arbeitete als Babysitterin in einem Fitnessstudio und war von der dort vorrätigen Kindermusik so angeödet, dass ich dachte, es müsse doch möglich sein, schöne Lieder für Kinder zu schreiben und zu produzieren, sodass auch Erwachsene Spaß daran haben. Als ich mitbekam, dass es die Kinderlieder-Sampler-Reihe „Unter meinem Bett“ gibt, war das für mich ein guter Motivator, endlich damit loszulegen. Und weil ich gleich zwei Lieder für Unter meinem Bett gleichzeitig eingereicht hatte, fragte mich der Oetinger Verlag, ob ich Lust hätte, gleich ein ganzes Album für Kinder zu produzieren. Mittlerweile sind es schon zwei: „Tanz den Spatz“ und „Spuckepack“.
Jeder, der selbst Kinder hat, weiß, es werden sehr viele (für Erwachsene) sehr nervtötende Kinderlieder produziert. Dass Kinder eine favorisierte Nummer in Dauerschleife anhören wollen, macht es nicht besser. Macht man anspruchsvolle Kinderlieder am Ende vielleicht sogar hauptsächlich für die Eltern?
Den Geschmack der Eltern zu treffen, spielt jedenfalls eine nicht unwesentliche Rolle. Zumindest bei mir. Das ist jedenfalls die große Herausforderung: sich etwas auszudenken, das sowohl Kinder als auch Erwachsene anspricht. Ich achte zum Beispiel nicht darauf, dass jedes Wort in meinen Texten unbedingt von allen Kindern sofort verstanden werden kann. Kinder können ja nachfragen, wenn sie etwas nicht verstehen, und niemand soll unterfordert werden – weder der Nachwuchs, noch die Erwachsenen.
Ich stelle es mir schwierig vor, für Kinder Theater, Literatur oder eben Musik zu machen, ohne belehrend oder anbiedernd zu sein. Braucht es dazu ein gut erhaltenes kindliches Gemüt?
Ich finde es gar nicht so schwierig. Eigentlich braucht man sich bloß von der Vorstellung zu verabschieden, dass Popmusik für Kinder unbedingt pädagogisch sinnvolle Inhalte vermitteln muss. Obwohl es auch das gibt: Meine Hamburger Kollegen „Deniz & Ove“ sind große Meister darin, ernsthafte Themen wie Umweltschutz oder Integration wunderbar fluffig zu verpacken, ohne dabei belehrend zu werden. An solchen Themen würde ich höchstwahrscheinlich scheitern – entweder mir fiele nichts Geschmackvolles dazu ein oder ich würde mich in sarkastische Witze stürzen. Das mit dem „kindlichen Gemüt“ halte ich jedenfalls für überbewertet. In meinem Fall reichen eine gute Erinnerung an meine eigene Kindheit und Humor, um das zu machen, was ich mache.
Am 14. und 15. April spielst du auf Einladung des Grazer Vereins mucke!mucke! zwei Familien-Konzerte in Murau und Graz. Was unterscheidet ein Kinderpublikum von einem erwachsenen Publikum und was erwartet das Publikum?
Vor Kindern zu spielen, die meine Lieder kennen, ist super. Sie singen mit und tanzen – das macht allein optisch schon einen großen Unterschied, denn meine Erwachsenenkonzerte spiele ich ausschließlich vor sitzendem Publikum. Ich bin gespannt, wie es in der Steiermark wird, ob mich dort jemand kennt, denn ich war noch nie mit meinem Kinderprogramm in Österreich unterwegs. Ich werde gemeinsam mit meinem Musikerkollegen Dominik Merscheid die Bühne erklimmen, und wir werden uns alle Mühe geben, zu zweit so viel Radau zu machen wie eine ausgewachsene Rockband. Wir bringen nicht bloß Gitarre und Bass mit, sondern auch schräge Instrumente wie Drumsyntheszier, ein Omnichord oder ein Theremin. Letzteres spielt man über Antennen, ohne es zu berühren – ein echter Hingucker! Wir tanzen mit den Kindern „den Spatz“ und hoffentlich brüllen alle mit, wenn es heißt, „Nicht schon wieder an die Ostsee“ – auch, wenn vermutlich alle Österreicher:innen vom nicht allzu fernen Mittelmeer verwöhnt sind und gar nicht wissen, dass es auch Meere mit kaltem, braunem Wasser und ohne Wellen gibt.
Credit: FB
Der steirische Verein MUCKE!MUCKE! findet ‚Pop könne wir alle‘. Neben Familien-Konzerten bietet er auch Workshops rund um Popkultur für Kinder an.
SVEN VAN THOM
ist Musiker, Musikproduzent und Komödiant. 2020 zog er von Berlin in den Taunus, in Hessen. Neben seiner Solo-Karriere ist er als der musikalische Teil der Actionlesung „Tiere streicheln Menschen“ in der Republik unterwegs. Van Thoms Markenzeichen sind eine große musikalische Vielfalt und Texte in Deutscher Sprache, die gekonnt zwischen Melancholie und irrer Albernheit changieren. Sven van Thom ist seit einigen Jahren mit unterschiedlichen Formaten auf radioeins (RBB) zu hören und hat neben seinen vier regulären Solo-Alben auch die Radiokolumnen-Trilogie „Pudding mit Frisur“ und zwei Kinderlieder-CDs veröffentlicht, „Tanz den Spatz – Kinderlieder“ (2018) und „Spuckepack – neue Kinderlieder“ (2021). „Tanz den Spatz“ erschien zudem auch als Tonie-Figur für die Tonie-Box.