"Wer das liest, ist nicht peinlich"
Kritik: "WOLF - Das große Wollen", Azlea Wriessnig
Text: Robert Goessl - 16.07.2024
Rubrik: Theater
Die Ein-Personen-Performance mit Band hinterfragt die Gedanken einer jungen Künstlerin, die ihren Weg in der Welt und in ihrer Kunst sucht. Dabei begibt sich die Künstlerin auch mithilfe des Publikums und diverser Interaktionen über ihre Gedanken in einen Prozess, in dem sie nach Empfehlungen und Ratschlägen sucht, wie sie am besten Akzeptanz findet. Doch die Erkenntnis aus diesem Prozess ist eine andere, die wesentlich weiterreicht und sie letztendlich befreit.
Schon beim Betreten der Galerie wird ihre Unsicherheit spürbar: Die junge Künstlerin Sunny (Sandra Karner) geht vorsichtig auf ihr Publikum zu und bittet es in Ihr Atelier. Denn sie befindet sich auf der Suche nach dem, was sie mit ihrer Kunst verkörpern möchte. So wird eben gleich einmal Wein und Saft gereicht, später folgen sogar Pommes. Schließlich soll es dem Publikum, von dem sie Rat und Hilfe erwartet, an nichts fehlen, und da sollte eine entsprechende Bewirtung doch obligatorisch sein, wenn schon das liebevoll eingerichtete Atelier (Ausstattung: Luise Höggerl) etwas schummrig wirkt - es ist eben wenig Kohle da.
Credit Elena Laaha
State of the Art
Wir finden dort unter anderem Pokale des Kapitalismus, die Anfänge einer geplanten großen Frau auf einer Wand und etliche Unterlagen und Konzepte zum Thema Klimawandel, also zeigt uns Sunny, dass Sie mit Ihrer Kunst am Puls der Zeit sein will. Doch möchte sie etwas Besonderes schaffen, etwas Einzigartiges, das sie von allen anderen unterscheidet. Schließlich kann man keine Farbe neu erfinden, es gibt schon alle, aber ein Rot kann man mit Ketchup und Wein immerhin geschmacklich verfeinern.
Das ist eben aber nicht genug und so wird das Atelier zu einem Wald (Lichteffekte Julian Pixel Schmiederer, Sebastian Reiter), indem die Künstlerin als Schaf einerseits Unterschlupf sucht und andererseits etwas Neues entdecken will, in einem Gestrüpp voller Gedanken, die sie mithilfe des Publikums und einem roten Faden zu ordnen versucht. Sie wird dabei immer wieder unterstützt durch stimmungsvolle Songs der Band Alpha Embryo (Frederic Lukas, Faye Taylor, Julian Gypser verstärkt durch Constanze Rebhandl) im Alternative-Rock-Stil à la Smashing Pumpkins.
Credit Elena Laaha
Zwischen Haltung und Erwartungshaltung
Es taucht auch in ihren Gedanken so etwas wie ein Mentor auf, oder - vielleicht etwas weniger gehoben - ein etablierter Künstler, der von oben herab als Patriarch alles, was nicht bei drei am Baum ist, ins Bett kriegen will - inklusive Einschüchterungen und Verunsicherungen. Ein WOLF als Symbol zwischen Hoffnung und Angst, ein Widerpart, um dessen Erwartungen es sich alles zu drehen beginnt, ebenso wie um die Erwartungen des Publikums und damit auch um die Angst vor dem Versagen, vor dem Blamieren, vor der Herabwürdigung der Kunstwelt. Vor all dem, was da Peinlichkeiten passieren könnte. Doch mit den Pommes kommt auch eine Erkenntnis vom prekären Lieferdienst:
"Es passiert nichts, wenn etwas einfach nur peinlich ist."
Fesselt sie sich letztendlich mit dem roten Faden, nachdem sie sucht, nur sich selbst?
Credit Elena Laaha
Diese Performance von Azlea Wriessnig mit Livemusik zeigt sich als ein Gesamtkunstwerk, das eine Art Coming-Of-Age-Geschichte in eine Coming-Into-Own-Art-And-Life-Geschichte umfunktioniert. Alles wirkt sehr authentisch und nahbar, wozu neben der hervorragenden Performerin Sandra Karner auch die reduziert-chaotische Ausstattung beiträgt. Entsprechend leicht ist es für das Publikum, in die Geschichte einzutauchen und die Protagonistin auf ihrer Suche nach der eigenen Kreativität, ohne Angst vor Versagen oder unerfüllten Erwartungen haben zu müssen, hin zu selbstbewussten Peinlichkeiten zu begleiten.
Credit Natalie Pinter
Noch zu sehen am 17.07., 18.07. und 19.07. um 20 Uhr
Ort: Zotl, Harrachgasse 1, 8010 Graz
Kartenlink