Operette, verkleidet als Revue

Kritik: Venus in Seide von Robert Stolz an der Oper Graz

Text: Martin Exner - 25.03.2024

Rubrik: Musik

(Credit: Werner Kmetisch)

Mit einer knallig-bunten Inszenierung seiner Operette „Venus in Seide“ feiert die Grazer Oper einen großen, oft aber viel zu wenig beachteten Sohn der Stadt: Robert Stolz.

Die Story, die hier erzählt wird, kennen wir zigfach aus anderen Operetten: die Geschichte um zwei Adelige, die erst nach wendungsreichen zwei Stunden zueinanderfinden, ist voll von Versatzstücken der Wiener Operette, bietet neben einem „hohen“ und einem „niedrigen“ Paar viel Räuberromantik, Fernweh nach bella Napoli und Sehnsucht nach einer besseren Welt. Robert Stolz hat dazu eine variantenreiche, geschickt instrumentierte und immer dem Tanz verpflichtete Musik komponiert, die schon spürbar zur Berliner Operette tendiert und die an Popularität kaum zu überbieten ist – gefühlt jede zweite Nummer kommt einem bekannt vor. Regisseur Dirk Schmeding fasst die Sache sehr revuehaft auf: es wird viel und sehr gut getanzt (Choreografie: Sean Stephens), es gibt schmissige Dialoge, das Tempo der Aufführung ist hoch. Die (überraschend) karge Bühne (Martina Segna) lässt rasche Szenenwechsel zu, gefüllt wird sie mit Licht in allen Farben (Sebastian Alphons) und erhält zusätzliche Farbtupfer durch die extrem üppig ausgestattete Kostümerie (Frank Lichtenberg).

(Credit: Werner Kmetisch)

Menschen statt Handlung

Den Regisseur Schmeding interessieren keine Deutungen des Stoffes, sondern die Menschen auf der Bühne: es wird großartig gespielt und auch ganz passabel gesungen: Sieglinde Feldhofer ist eine diven- aber auch ernsthafte Fürstin Palotay, stimmlich ideal besetzt. An Matthias Koziorowskis etwas stählernen Tenor kann man sich gewöhnen, im Laufe des Abends kommt auch das Strahlen in die Stimme, den Fürsten Teleky gibt er überzeugend. Ferry Öllinger haucht der trotteligen Figur des Baron Oroszy etwas Würde ein und vermeidet hier gerne angebotene Übertreibungen. Weltstar Ildikó Raimondi ist eine – wie zu erwarten – stimmlich starke, aber vor allem fantastisch jugendlich-agile Schwester Oroszys, sie spielt sich mit Leichtigkeit in den Mittelpunkt. Ivan Oreščanin gibt den naiven Dragonerleutnant Ladislaus stimmlich schön und mit viel Herz. Aus dem restlichen Ensemble sticht János Mischuretz als köstlicher Pfarrer und Räuber Bambuschek heraus, András Kurta gibt einen mit wunderbar kuriosen Ideen ausgestatteten Diener Mihály und István Szécsi einen Vörös-bacsi am Punkt. Sandy Lopičiċ hat Bühnenpräsenz, macht aber etwas wenig aus der Figur des Räuberhauptmanns Rózsa Sándor. Geiger Mátyás András schmachtet seine ungarischen Kanzonen mit wunderbarem Vibrato und technisch perfekt in das Publikum. Wie überhaupt die musikalische Seite dieses Mal vom Orchester beherrscht wird: Marius Burkert treibt das Opernorchester zügig an, rhythmisch immer am Punkt, an manchen Stellen etwas zu laut – auch hier mehr Revue, weniger Operette. Dennoch: Ein recht gelungener Versuch, das Werk des Grazers Robert Stolz wieder auf der Bühne seiner Heimatstadt zu etablieren – es wird sich weisen, ob weitere seiner Welthits hier folgen.

(Credit: Werner Kmetisch)

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(Credit: Werner Kmetisch)

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(Credit: Werner Kmetisch)