Gefangen in gewohnten Verhältnissen
Kritik: Sonja Inside, Christina Scheutz
Text: Robert Goessl - 13.11.2024
Rubrik: Theater
Frei nach dem Stück „Onkel Vanja“ von Anton Cechov erzählt Christina Scheutz in einer eigenen Textfassung eine Geschichte auf einem Landgut aus Sicht der von allen übersehenen Sonja. In dieser Inszenierung im Atelier 12 für Jugendliche ab 14 Jahren geht es um Liebe, Ausbeutung und Selbstausbeutung in einer Familie, in der sich jeder zunächst selbst der Nächste zu sein scheint.
Sonja hat es nicht leicht. Sie ist das Arbeitstier auf einem Landgut, das zwar eigentlich ihr gehört, und das sie zusammen mit ihrem Onkel Vanja bewirtschaftet, dessen Ertrag aber ihrem alten Vater Serebrjakov zugutekommt. Einfach, weil es sich so gehört und immer schon so war. Der Patriarch lebt in der Stadt mit seiner jungen schönen Frau Jelena und führt dort ein sorgloses Leben als vermeintlich großer Geist, der seine weitestgehend sinnlosen gedanklichen Erkenntnisse in Büchern und Zeitschriften veröffentlicht. Als die beiden dann doch einmal für einen Sommer zu Besuch kommen, werden Brüche innerhalb der Familie sichtbar.
Credit Edi Haberl
Die Einsamkeit unter Menschen
Der Besuch der beiden reißt Soja und Onkel Vanja aus ihrer Gewohnheit. Neben ihrer Arbeit müssen sie auch noch ihren Tagesablauf an die Bedürfnisse ihrer Besucher anpassen. Doch ist da auch noch der Arzt Astrov, der auf das Landgut kommt, um nach ihrem alten kranken Vater zu sehen, in den sich Sonja verliebt, während dieser der jungen schönen Jelena seine Aufmerksamkeit zukommen lässt und Sonja kaum wahrnimmt. Ähnlich geht es Onkel Vanja, der auch der schönen Jelena verfällt, aber daneben auch noch seinen Hass auf den Vater in Alkohol ertränkt,und zusammen mit dem liebesgefrusteten Astrov ein Säuferpaar bildet. Somit bleibt letztendlich die ganze Arbeit an Sonja hängen, die auch mit mit ihrer Sehnsucht allein bleibt.
Credit Edi Haberl
Zwei Menschen spielen alles
Christina Scheutz verkörpert dabei alle weiblichen Rollen und Alexander Lainer alle männlichen, wobei die Übergänge sehr fließend sind und nur wenige zusätzliche Attribute, sei es eine Stola, eine Krawatte oder ein aufklebbarer Bart, den Rollenwechsel erkennen lassen. So wirkt die Kommunikation zwischen den Figuren sehr intim, es werden auch immer wieder durch die nahbare Darstellung Bezugspunkte zum jungen Publikum aufgebaut, damit dieses über die eigene Familie reflektieren und auf eigens ausgegebenen Blättern Notizen machen kann. Man kommt mit wenigen Requisiten aus, um die Figuren in dem ländlichen, von Arbeit geprägten Ambiente spürbar zu machen in ihrer Verletzlichkeit zwischen Verzweiflung und Hoffnung.
Credit Edi Haberl
Es wird sensibel erzählt, besonders einfühlsam wirkt dabei die von Christina Scheutz in der Darstellung von Sonja und Jelena, während Alexander Lainer schon mal etwas kumpelhaft-salopp aus der Rolle schlüpft und mit dem Publikum Kontakt aufnimmt. Aber auch er zeigt insbesondere bei der Darstellung von Onkel Vanja und Astrov hilflos Gefangene in ihrer männlichen Machtlosigkeit.
Robert Lepenik unterstützt die Stimmungen musikalisch zwischen Polka und Gitarrenballade und hat sogar eine Schreibmusik in petto. Obwohl am Ende einfach alles so bleibt, wie es war, als wäre dieser eine Sommer nur ein Traum gewesen, der andere Möglichkeiten sichtbar gemacht hat, ohne dass die in die Tat umgesetzt werden konnten, schwingt am Ende etwas Hoffnung mit. Denn das Leben geht weiter in der alten Ordnung, in der jede und jeder seinen Platz hat, und daher dazu gezwungen ist, den Frust zu überwinden und aus diesem Leben im Rahmen der Möglichkeiten das Beste zu machen.
Credit Edi Haberl