Die Welt verträgt keine Elfen
Kritik: ‘Sisi’ im Theater im Keller
Text: Robert Goessl - 26.02.2024
Rubrik: Theater
Das Stück von Sophie Reyer erzählt die Geschichte der Kaiserin Sisi vom Anfang ihres Lebens bis zu ihrem Tod und bedient sich dabei aus den Gedichten in ihren Tagebüchern und vor allem den Gedichten darin.
Die Regie von Alexander Kropsch macht daraus kurzweilige 70 Minuten, in denen die drei Schauspielerinnen Ute Veronika Olschnegger, Petra Pauritsch und Lisa Rohrer immer wieder abwechselnd verschiedene Rollen neben der Hauptrolle verkörpern. Das Spiel beginnt auf einer kargen Bühne, beherrscht von einer großen Doppeltüre und reicht über den Mittelgang bis zum hinteren Ende des Zuschauerraums. In diesem Raum wird versucht, sich der Seele einer „Kriegerin, Seiltänzerin und Dichterin“ zu nähern, die sich zeitlebens in einer falschen Welt befand und verkannt fühlte. Die kurzen Szenen geben Lebenssplitter, durchsetzt von Todessehnsucht und verbunden mit Langeweile und Machtlosigkeit wieder, wobei die ständigen Rollenwechsel vom Zuschauer schon etwas Aufmerksamkeit verlangen. Denn neben Sisi verwandeln sich die Schauspielerinnen auch in andere Figuren, wie ihre Eltern, ihre Tochter Marie, ihr großes Idol Heinrich Heine und über allem den unnahbaren Kaiser als höchster aller bewahrenden Beamten. Aber nachdem Sisis Lebensgeschichte und die historischen Fakten wohlbekannt sind, lässt sich all das auf der Bühne Geschehene auch problemlos einordnen, obwohl der historische Rahmen eher den Hintergrund bildet. Vor allem in ihren Gedichten versucht sie, in eine andere Welt zu flüchten. Zwischen hilflosem Mitgefühl und dem sich ergeben in einem luxuriösen Alltag bleibt ihr nur eine Traumwelt. Das Licht ändert sich dabei zwischen gleißend hell, kalt blau und blutrot und versucht ein Innenleben zu offenbaren.
Credit: Theater im Keller
Aufgeteilter Schmerz
So wünscht sie sich, Titania, die Elfenkönigin, zu sein; sie liebt die Endlosigkeit des Meeres, während im Alltag Gesichtsmasken und das endlose Kämmen der Haare schwer auf ihr lasten. Einerseits perfekt und andererseits so gut wie gar nicht zu sein, mit kurzem Aufmotzen gegen das absolutistische System, wobei dieses wirkungslos in der patriarchalen Welt der Restauration verhallt. Romantisierend in Ihrer Fantasie, nachdem Sie ihre Hauptaufgabe, Kinder zu gebären, erfüllt hat, bleibt nur eine Welt voller Kleider und die Sehnsucht, wer anderer woanders zu sein. Die Wut bleibt im Hintergrund, ausgedrückt durch Songs von Peaches, deren punkiger Rap die Szenen untermalt.
Die Inszenierung beeindruckt durch ihr auf den Punkt gebrachtes unbeschönigtes Betrachten einer Seele in ihrer splitterhaften Art und auch mit kargen, aber genau deswegen schönen Bildern. Sie beschreibt in einer lyrischen Sprache einen stets unsteten Geist, der sich fehl am Platz fühlt, und in eine andere Welt flüchtet – eine Existenz mit dem Gefühl, falsch zu sein, bei der der daraus resultierende Schmerz auf drei Personen aufgeteilt wird unter der Lebensmaxime: „Fang nicht mit dem Leben an.“
Credit: Theater im Keller
Robert Goessl kann man nach Ü3.000 absolvierten Theaterbesuchen wohl als "theaternarrisch" bezeichnen. Oft ist er gleich mehrmals in der Woche vor der Bühne kleinerer und größerer Theater in der Steiermark anzutreffen. Seine Passion für die darstellende Kunst beschreibt er so: "Ich habe nicht das Gefühl, etwas gefunden zu haben, sondern ich wurde von etwas gefunden."
Credit: Theater im Keller