Cole-Porter-Musical liefert Culture-Clash mit Augenzwinkern
Kritik: Silk Stockings, Oper Graz
Text: Martin Exner - 16.12.2024
Rubrik: Musik
Cole Porters Musical „Silk Stockings“ ist in der Zeit des Kalten Krieges angesiedelt und spielt mit den kulturellen und ideologischen Unterschieden zwischen Ost und West. Die gelungene Grazer Produktion umschifft elegant alle Gefahren, die ein solches Stück bei heutiger weltpolitischer und gesellschaftlicher Lage mit sich bringt und bietet einen amüsanten Abend.
So ein Kulturkommissar in der Sowjetunion hat es nicht leicht: Ein abtrünniger, nach Paris entfleuchter Komponist soll wieder nach Hause geholt werden, da seine Musik nach kommunistischer Meinung dem Volke Russlands gehört. Da die drei bereits gesandten, jedoch etwas tollpatschigen Agenten kein Ergebnis liefern, muss auf einen Spezialagenten zurückgegriffen werden – genauer gesagt: eine Frau, Nina Yaschenko, genannt Ninotschka, unbeeinflussbar vaterlandstreu und überzeugte Kommunistin. Dass sie in Paris nicht nur dem Charme der Metropole, sondern auch dem des amerikanischen Künstleragenten Steve Canfield erliegen wird, ist vorgezeichnet, entwickelt sich sanft durch das gesamte Stück. Dass es schlussendlich nicht die 365 Paar Seidenstrümpfe sind, die sie überzeugen, dass es kein Erliegen ist, sondern die bewusste Entscheidung einer starken Frau, macht das Stück gleich noch sympathischer.
Nina Weiß, Ballett Graz, Chor der Oper Graz und Statisterie, Credit: Werner Kmetitsch
Witz und Melancholie
Cole Porter, der nicht nur die Musik, sondern auch die Gesangstexte geschaffen hat, verdanken wir hier ein – selbst für amerikanische Verhältnisse – außergewöhnliches Musical, das nicht nur mit großen Revue-Nummern, Rhythmik, Tempo, Witz und einigen Möglichkeiten zum Slapstick aufwartet, sondern auch eine gehörige Portion Romantik und einiges Nachdenkliches einbringt. So schwebt über dem Abend eine große Wolke Melancholie.
Regisseur Max Hopp, bekannt aus Film und Fernsehen, hat für diese atmosphärische Vielfalt ein gutes Händchen: die Szenen und Stimmungen fließen ineinander, sein tanz- und spielfreudiges Ensemble (Choreografie: Martina Borroni) stattet er mit präzisen Charakteren aus. Dabei helfen ihm auch die unglaublich facettenreichen Kostüme von Marie Caroline Rössle, die auch für das zurückgenommene, dafür aber wandlungsfähige und immer stimmige Bühnenbild verantwortlich ist.
Christian Scherler, Falk Witzurke und Markus Murke, Credit: Werner Kmetitsch
Brilliante Besetzung
Die Besetzung ist hervorragend. So vielfältig Natalia Mateos Zugänge zur Musik sind – vom Jazz über Pop bis zum Musical – so facettenreich gibt sie die Nina: wunderbar ironisch als überzeugte Kommunistin, zweifelnd in Ihrer Zerrissenheit zwischen Vaterland und dem freien Leben im Westen, hinreißend als Verliebte, mit samtiger, aber starker Stimme – ihre (einem anderen Musical, „Can-Can“, entnommene) Hymne an die Weltstadt, „I love Paris“ ist einer der Höhepunkte des Abends. An ihrer Seite ist Michael Rotschopf ein – stimmlich wie darstellerisch – starker Canfield, der seine Nina mit Wortwitz und einer großen Portion Charme umschwärmt, aber auch eine verletzliche Seite zeigt (großartig vor allem im titelgebenden Song). Nina Weiß gibt das in Paris engagierte naive Hollywood-Sternchen Janice Dayton mit viel Schwung, herrlich hyperventilierend, aber nie übertrieben und gesanglich fein. Markus Murke, Falk Witzurke und Christian Scherler haben als versagendes, zunehmend der mondänen Metropole verfallendes Agenten-Trio ausgiebig Gelegenheit, Pointen zu liefern und manches musikalische Bonmot zu liefern. Ein Hit sind die immer wieder dazwischengeschobenen grotesken Szenen aus der Moskauer Machtzentrale – János Mischuretz als zunehmend verzweifelnder Kulturkommissar Markowitsch – angesiedelt irgendwo zwischen Loriot und John Cleese – ist ein weiteres Highlight des Abends.
Credit: Werner Kmetitsch
Facettenreicher Wohlklang
Koen Schoots, als Dirigent in diesem Genre international gefragt, lässt Cole Porters Musik in einer üppigen Orchesterbesetzung aufblühen, legt die Tanznummern schmissig an (wie immer präzise und im Takt die Mitglieder des Balletts Graz), fängt mit den gut disponierten Grazer Philharmonikern vor allem aber die Melancholie des Stückes wunderbar ein. Der wohlklingende Chor und die Statisterie der Grazer Oper erfüllen ihre umfangreichen darstellerischen Aufgaben auf den Punkt und präsent. Ein vielfältiges Stück also, das viele Facetten bereithält, ganz im Sinne des Komponisten auf die Bühne der Grazer Oper gebracht – mit großem Potenzial zum Publikumshit.
Silk Stockings von Cole Porter
Musikalische Leitung: Koen Schoots / Stefan Birnhuber (Dez: 31, Jan: 12, Feb: 12, Mär: 7, Mai: 15, 16)
Inszenierung: Max Hopp
Choreographie: Martina Borroni
Bühne & Kostüme: Marie Caroline Rössle
Licht: Sebastian Alphons
Dramaturgie: Christin Hagemann
Chor: Georgi Mladenov
Nina Yaschenko, genannt Ninotschka: Natalia Mateo
Janice Dayton: Nina Weiß
Steve Canfield: Michael Rotschopf
Iwanow: Markus Murke
Brankow: Falk Witzurke
Bibinski: Christian Scherler
Boroff: Michael Großschädl
Markowitsch: János Mischuretz