"Ihr seid schuld, ich übergebe euch die Verantwortung"

Kritik: Rot im Theater im Palais (KUG)

Text: Robert Goessl - 17.01.2024

Rubrik: Theater

Credit: Johannes Gellner

Der dritte Jahrgang der Schauspielenden der Kunstuniversität Graz nimmt sich unter der Regie von Asli Kislal dem Kurzstück 'Rot' von Clemens Setz an und entwickelt daraus eine Textfläche, die sprachlich und körperlich auf der Bühne performt wird.

Das Stück 'Rot' ist in der Covid-Zeit entstanden, gedacht für das digitale Theater als Ein-Personen-Performance und wurde vom Berliner Ensemble seinerzeit als Stream auch so umgesetzt. Kurz bevor Fabian Michael Möntges seinen Anschlag auf die Taublacher Volksschule verübt und sich selbst an einem Nussbaum erhängt, stellte er ein dreiminütiges Video ins Internet. Der Täter versucht in der Aufnahme, sich und das Attentat zu erklären. Nach der Tat werden auf seinem Computer 42 weitere Videoclips gefunden - seine Fehlversuche. Diese Fehlversuche sind Inhalt des Stücks, das von einem Menschen handelt, der, in sich gefangen, 42 Mal daran scheitert, sich der Welt zu erklären - aus teils banalen Gründen. Die halbe Bühne (Ausstattung: Lea Sonek) wird von einer halben Sphäre aus Holz eingenommen, die aus Dreiecken konstruiert ist und entfernt an Klettergerüste auf Spielplätzen erinnert. Neun schwarz gekleidete Schauspieler*innen agieren als dysfunktionale Einheit, als Ausprägungen einer Person, einander fordernd im Kampf mit- und gegeneinander.

Credit: Johannes Gellner

Dramatisches Opfer-Täter-Spiel

Ein dynamisches Körpertheater (Choreografie: Aurelia Staub-Latzer und Martin Woldan) entwickelt sich, bei dem die Bühne zur Projektionsfläche eines inneren Kampfes mit all seinen Unsicherheiten wird. Auf der abwechselnden Suche nach Distanz und Nähe herrscht pausenlos Bewegung, Gruppen formieren und trennen sich wieder. Neue Positionen werden eingenommen, während der Text abwechselnd von einzelnen Darsteller*innen gesprochen wird. Dabei wird auch die mächtige Holz-Sphäre bespielt, unter die Lupe und auseinander genommen, die einmal als Gefängnis, dann wieder als Rückzugsort erscheint, die Freiheit einschränkt, zugleich Sicherheit bietet. Es wird ein Mörder gezeigt, der sich als Opfer fühlt und etwas Mühe hat, zum Täter zu werden, der nicht nur seinen Hass der Gesellschaft überstülpen möchte, sondern auch die Verantwortung für die Tat auf sie abschiebt. Antonia Baumgartner, Zoubeida Ben Salah, Magdalena Hanetseder, Florian Marius Kager, Katharina Ludwig, Nikola Naydenov, Anna Marie Schneider, Louis Schnitzler, Liv Wagener und Cedric Ziouech liefern in dieser anspruchsvollen und körperlich intensiven Inszenierung eine gelungene Talentprobe ab, die versucht, in eine unsichtbare Gedankenwelt einzudringen, ohne zu verstehen, was wirklich in einem Täter vorgeht. Zum Finale gibt's eine letzte Selbstdarstellung in Kriegsbemalung.

Credit: Johannes Gellner