Hochtourige Satire im Schauraum

Kritik: Rabatt, Schauspielhaus Graz

Text: Sigrun Karre - 28.01.2025

Rubrik: Theater
Rabatt (c) Lex Karelly

Oliver Chomik, Marlene Hauser, Florian Marius Kager (c) Lex Karelly

Am 24. Jänner feierte im Schauraum des Schauspielhaus Graz Nora Abdel-Maksouds Komödie 'Rabatt' als österreichische Erstaufführung eine packende Premiere.

Regisseur Basil Zecchinel inszeniert die aberwitzige On/Off-Satire als Gangsterfilm-Parodie mit Tarantino-Charme, durchsetzt mit popkulturellen Referenzen. Die raffinierte Ausstattung von Lea Burkhalter setzt auf Künstlichkeit und bringt eine Welt auf die Bühne, die sich selbst als Kulisse entlarvt. Die Darsteller:innen zünden ein 90-minütiges schauspielerisches Feuerwerk und haben offensichtlich Spaß dabei: Marlene Hauser brilliert als Dena, eine Journalistin, die Rassismus zum Geschäftsmodell macht. Mit Shitstorms und dem Bestseller mit dem etwas sperrigen Titel “Verengter Meinungskorridor" hat sie es zu solidem Reichtum gebracht. Ihr denglisches Dauergequassel ist ebenso grell wie ihr Look: Leo-Kunstfell, Rothaar-Perücke und eine exaltierte Sexyness, die Polyester atmet. Assistentin und beste Freundin Luigi (herrlich trocken: Otiti Engelhardt) erledigt alles, was Dena nicht machen will - für Geld, versteht sich. In Jogginghose und XL-Pullover mit Tiermotiv sieht sie selbst ein wenig wie ein von Dena domestiziertes "Straßenkätzchen" aus. Als der Lieferando-Zusteller Davide (Florian Marius Kager) als futuristisch glitzernder “Silverman” erst atemlos das bestellte Sushi liefert und dann das Zeitliche segnet, nimmt die Handlung Fahrt auf. Denas “Shitstormkissen" ist verschwunden, sein Wert ist nicht bloß ideeller Natur ... So wie auch alle anderen Bühnenfiguren jagen Dena und Luigi dem Geld hinterher, treffen dabei auf ein ungleiches Zwillingspaar, das seine Komik zu einem nicht unerheblichen Teil aus einem Konfetti aus Filmzitaten und Comic-Ästhetik bezieht.
Rabatt

Oliver Chomik, Rudi Widerhofer (c)Lex Karelly

Bestattungskapseln im Abflussrohr

Oliver Chomik wird als zwielichtiger Undertaker mit glatter Gangster-Mähne zum John- Travolta-Doppelgänger und überzeugt mit abgründig-komischer Präsenz zwischen Coolness und Selbstkarikatur. Sein Pendant, Rudi Wiederhofer, ist der schrullige, fast knorrige Zwilling, der als Kontrast ebenso wenig Sinn ergibt wie alles andere an diesem Abend – und gerade deshalb perfekt ins Gesamtbild passt. Unter dem Motto “Erst kommt die Röhre, dann die Moral“ gründen die verhinderten Erben eines Schweinezucht-Betriebes ein lukratives Bestattungsunternehmen für Menschen ohne Beerdigungs-Budget. Euphemismen wie “die Wiese der Vielen” sind Teil des Marketings. Es gibt nur einen Haken: Aufgrund des unternehmerischen Erfolgs schwindet die Zahl der armen Menschen, die man ausbeuten oder bestatten kann. Stichwort: Gesellschaftspyramide. Einzig der Geist des verstorbenen Lieferando-Fahrers Davide stört das profitorientierte Treiben. Zwecks Verortung im Hier und Jetzt monologisiert er im steirischen Dialekt. Seine philosophischen Exkurse – von der Doxa bis zu David Bowie – fügen sich nahtlos ins Spiel mit Realität und Metaebene ein. Der wiederholte Bruch der Theaterillusion erweist sich als kluge Strategie, um den Moralinspiegel elegant im grünen Bereich zu halten. Nur ein “Wut-Monolog“, den Florian Marius Kager als personifiziertes Über-Ich frontal an das Publikum richtet (gefährlich!), kriegt die Kurve nicht ganz. Dank des zunehmenden Tempos der Inszenierung und dem hervorragenden Spiel der Darsteller:innen, ist die Energie aber gleich wieder da.
Rabatt Ensemble (c)Lex Karelly

Ensemble (c)Lex Karelly

Gesellschaftskritik mit Sogwirkung

Zum Ende hin Ende stolpert die Inszenierung kalkuliert von einem Twist Plot zum nächsten. Der rote Faden löst sich in Luft auf, Masken und Perücke fallen. Wen vorhersehbare Handlungen und Wendungen schnell langweilen, dem sei diese trashige schwarze Bühnenkomödie unbedingt ans Herz gelegt. Zwischen Schusswaffendue, scharfen Pointen und ständigen Wendungen nimmt die Inszenierung das Publikum mit auf eine Achterbahnfahrt, bei der das Lachen oft im Hals stecken bleibt. Fazit: ein Abend, der sitzt – mal bissig, mal bitter, aber nie belanglos. Sehenswert! Marlene Hauser ist übrigens auch in der Wiederaufnahme des Solostücks 'Die Party' im Schauraum des Schauspielhauses Graz zu erleben – eine weitere Produktion, die es verdient, gesehen zu werden.