Stille Eskalation mit Riss ins Mögliche im Theaterhaus Graz
Kritik: Party, Party, Franz von Strolchen
Text: Sigrun Karre - 29.05.2025
Rubrik: Theater
Franz von Strolchen bringt mit „Party, Party“ ein Stück über die Zukunft auf die Bühne – oder über deren fundamentale Abwesenheit. Premiere feierte das Stück am 25. Mai im Theaterhaus Graz. Im Rahmen des Dramatiker:innen Festivals ist das Stück noch am 13. und 16. Juni zu sehen.
Dreizehn Kinder, eine rotierende Bühne, keine gesprochenen Worte. Stattdessen ein leuchtendes Textband, das wie ein Gedankenschweif über den Köpfen der Spielenden schwebt. Es kommentiert nicht, es trägt den Abend. Eine Stunde lang kreisen die Körper, trennen sich, kommen sich näher, bleiben sich fern. Sie zeichnen, tanzen, zerstören. Nerf-Guns, Schachfiguren, ein DJ-Pult, eine Baustellenabsperrung – ein scheinbar beiläufiges Kinderuniversum, das sich zunehmend verdichtet. Nicht zur Geschichte, sondern zur Konstellation. Eine Versuchsanordnung über das Menschsein. Es sind keine Rollen, die hier gespielt werden, sondern Haltungen, Begegnungen, Zögerlichkeiten. Die Kinder zeigen sich den Mittelfinger und umarmen sich. Nähe und Distanz liegen dicht beieinander, manchmal in derselben Bewegung. Die Drehbühne macht die Trennung sichtbar, das Rotieren zum Endlossatz der Koexistenz. "Für die Kinder der Segregation ist das Draußen das Drinnen", heißt es einmal. Hier die Füchse, dort die Dachse. Zwei Gruppen, zwei Temperamente, getrennt durch eine Wand. Wie in der Natur: ein gemeinsamer Bau, aber getrennte Räume. Ein schlüssig gesetztes Bild für das Nebeneinander in einer geteilten Welt.

Fotocredit: Edi Haberl
Tweets aus dem Off
Der Text operiert mit gezielter Mehrdeutigkeit. Er bleibt lakonisch, manchmal provokant: „Sie wollen alles – Liebe ohne Kompromisse und Leben ohne Empathie.“ Oder: „Der Tod spielt keine Rolle – außer wenn er die Hauptrolle spielt.“ Es handelt sich nicht um eine Aussage über die Welt, sondern um eine Inszenierung ihrer Brüche. Ironie und Pathos stehen nebeneinander, ohne sich aufzulösen. Die Sprache ist reduziert, erzeugt aber gerade dadurch eine eigentümliche Spannung. Wie Tweets aus einem Inneren, das mehr weiß, als es sagt.

Fotocredit: Edi Haberl
Systeme & Rollen
Manches an der Machart von „Party Party“ erinnert an Franz von Strolchens letztjähriger Produktion „Troll“. Doch wiederholt der Autor und Regisseur nicht einfach das Prinzip, sondern entwickelt es weiter. Auch hier laufen Szene und Text wie im Stummfilm nebeneinander, Doch diesmal deutet sich mehr an: eine Öffnung, eine Geste in Richtung Idee. Das hier ist kein Kinderstück, sondern ein Stück mit Kindern über das Leben in Systemen, das Verstummen inmitten von Lautstärke, das Verharren in Rollen.

Fotocredit: Edi Haberl
Utopie mit (Neben-)Wirkung
Und dann kippt es. Die Wand fällt. Die Ordnung verschiebt sich. Der Text spricht vom Wunsch, "zum Gegenüber zu werden". Die Segregation bleibt spürbar, verliert aber ihre feste Form. Was getrennt war, beginnt, sich wechselseitig wahrzunehmen. Was als Happy End erscheint, könnte in einer ersten Reaktion unter Kitschverdacht geraten – nicht, weil es naiv inszeniert wäre, sondern weil die Idee von Frieden und gesellschaftlicher Einigkeit so fern scheint, dass sie eher Spott als Sehnsucht auslöst. Doch genau darin liegt auch ein Reiz: Die utopische Wendung kann Hoffnung stiften, vielleicht besonders bei jungen Zuschauer:innen. Für Erwachsene hingegen wird sie zum Spiegel, der vor Augen führt, wie fremd uns eine versöhnte Zukunft geworden ist. „Die Idee ist gut, doch die Welt noch nicht bereit“ sang Tocotronic 1995, als viele heutige Erwachsene selbst noch Utopien bastelten. Bleibt die Frage: Ist die Welt inzwischen bereiter – oder probt sie noch?

Fotocredit: Edi Haberl
Konzept/Regie: Franz von Strolchen
Co-Regie/Theaterpädagogik: Karin Gschiel-Sobotka
Text: Christian Winkler
Bühne/Kostüme: Markus Boxler
Musik: Philipp Moosbrugger
Theaterpädagogik: Michaela Czernovsky
Regieassistenz: Sebastian Tschebull
Licht: Nina Ortner
Technische Umsetzung: Wolfgang Petschnegg
DarstellerInnen: Charlotte Felsner, Oskar Gansberger, Wenzel Gansberger, Alina Hatzl, Nina Hoffmann, Elisabeth Leitinger, Hendrik Sadikaj, Ferdinand Sciri, Klara Sejak, Johanna Springer, Valentina Springer, Felix Warga, Anna Franziska Warnick-Kolar
Eine Theater am Lend-Produktion, in Kooperation mit dem Dramatiker:innenfestival 2025 und der TaO!-Werkstatt „Bühnenratten“