Ein Verdi-Abend wie verhext!
Kritik: Macbeth in der Grazer Oper
Text: Martin Exner - 28.11.2023
Rubrik: Musik
Die zweite Opernpremiere dieser Saison am Grazer Opernhaus hatte einiges zu bieten, vor allem musikalisch. Und eine ungewöhnliche spontane Umbesetzung.
Intendant Ulrich Lenz nahm es mit Humor, als er nach der Pause notgedrungen zum (zahlreich anwesenden) Publikum sprach: Nun glaube er schon selbst, dass Verdis Oper – wie es heiße – mit einem Fluch belegt sei. Das Unheil nahm nach wenigen Takten seinen Lauf – schon in den ersten Tönen konnte man hören, dass mit der Stimme des Sängers der Titelrolle, des polnischen Baritons Mikołaj Zalasiński, etwas nicht stimmte. Bis zur Pause am Ende des zweiten Aktes war die Stimme dann nicht mehr vorhanden. Die lange Pause über rätselte das Publikum, wie und ob es überhaupt weitergehen werde – und der Intendant konnte verkünden, dass man sich auf das Ensemble der
Grazer Oper verlassen kann: Wilfried Zelinka, lang gedientes wie verdienstvolles Ensemblemitglied, der im ersten Teil die Rolle des Banquo gesungen hatte und im Stück mittlerweile gemeuchelt war, erklärte sich bereit, den Macbeth vom Bühnenrand hinter einem Notenständer fertig zu singen, während Zalasiński die Rolle stumm weiterspielte. Und Zelinka erledigte diese Mammutaufgabe hervorragend, zunächst noch zurückhaltend, im Finale kraftvoll und – obwohl die Rolle nicht seinem Stimmfach entspricht – großteils mit allen originalen Tönen. Diese Leistung, und die intensive Darstellung der Rolle des Banquo, den er mit schöner, sonorer Stimme ausstattete, wurde schlussendlich zu Recht heftig bejubelt. Die Vorstellung war gerettet!
Credit: Grazer Oper/ Photowerk/Kmetitsch
Und das war im Großen und Ganzen auch gut so. Gesungen und gespielt wurde darüber hinaus auf solidem bis gutem Niveau: Dshamilja Kaiser, als Gast an ihr früheres Heimathaus zurückgekehrt, ist eine intensive Lady Macbeth, man hörte nur sehr selten, dass die Rolle für ihre Stimme sehr hoch liegt, dafür konnte sie in der Mittellage überzeugen, gab der Lady einen musikalisch differenzierten Charakter. Mario Lerchenberger als Macduff zeigte, dass er anscheinend in allen Fächern zu Hause ist – seine leider viel zu kleine Rolle sang er fein nuanciert und mit glänzendem Ton. Die kleineren Rollen waren mit den Ensemblemitgliedern Ekaterina Solunya (Kammerfrau) und Euiyoung Peter Oh (Malcolm) wie gewohnt hervorragend besetzt.
Der neue Chefdirigent des Grazer Hauses, Vassilis Christopoulos, hatte bei seiner Einstandsproduktion Chor und Orchester fest im Griff. Aus dem Graben tönte es klangschön, das Orchester trug, wie Verdi es ja wollte, das Stück. Christopoulos ließ differenziert musizieren, zog ein paar Mal das Tempo ordentlich an, gab aber immer den Sängerinnen und Sängern auch eine Chance, durchzukommen. Das Einzige, das hier auf der Strecke blieb, war das Dunkle, das Bedrohliche, das der Musik Verdis inneliegt.
Damit korrespondiert man aber ohnehin mit der szenischen Ausführung: Regisseurin Kateryna Sokolova interessiert sich mehr für die psychologischen Ursachen von Machtstreben und Verführbarkeit, was in den Szenen mit Macbeth und der Lady auch seinen Reiz hat, mit der Idee, die Hexen (wie immer großartig: der Chor der Grazer Oper) als Macbeths Alter Ego, als sein Spiegelbild auszugeben, ist ihr jedoch nicht der große Wurf gelungen – die Hexen, von Verdi als weiterer Protagonist der Oper gedacht, der die Handlung bestimmt, kommen eher wie eine Partygesellschaft über die Bühne – auch hier fehlt das Düstere, das Bedrohliche, das Dämonische.
Das findet man hingegen im großartigen Bühnenbild von Nikolaus Webern, fantastisch ausgeleuchtet von Sebastian Alphons – wie aus einer Festung herausgerissene einzelne Räume, Gänge, Stiegen, die viele Flächen und Ecken für düstere Lichteffekte geben: Der Raum wäre ja da gewesen, nur leider wurde er nicht ebenbürtig bespielt.
Ein Besuch der Aufführung empfiehlt sich dennoch, auch ein weiteres Mal fürs Premierenpublikum – wenn Macbeth dann hoffentlich wieder bei Stimme ist.
Credit: Grazer Oper/ Photowerk/Kmetitsch