"Keinen Fisch fischt Fischer Fritz"
Kritik: Fischer Fritz, Schauspielhaus Graz
Text: Sigrun Karre - 16.01.2023
Rubrik: Theater
Im SprechstĂŒck von Raphaela Bardutzky geht es um Altenpflege. In der österreichischen UrauffĂŒhrung am Schauspielhaus Graz schlĂŒpft Gerhard Balluch in die Rolle eines Pflege-"Falls". Zeitgenössisches Theater ĂŒber ein brennendes Thema.
Der Fischer heiĂt Fritz, wie schon sein Vater und GroĂvater, die auch schon Fischer waren. Nach einem Hirnschlag fischt er nicht nur keine frischen Fische, die im Zungenbrecher als Opener an- und ausgesprochen werden, sondern ĂŒberhaupt keine Fische mehr. Mit dem Sprechen klappt es seither auch nicht mehr störungsfrei. Die vollstĂ€ndige Liste seiner Krankheits-Diagnosen ist so umfangreich wie fĂŒr den medizinischen Laien unverstĂ€ndlich, âWas soll werden, wenn nichts mehr wird?â fragt sich Fritz. Der groĂe Gerhard Balluch verkörpert den von vielerlei Gebrechen geplagten alten Fischer in der österreichischen UrauffĂŒhrung im Haus 3 des Grazer Schauspielhaus mit reduziertem Spiel und steirischem, statt bayrischem Dialekt so glaubwĂŒrdig, dass es vor Spannung im Raum knistert. Dabei ist das StĂŒck mehr narrativ, als dramatisch angelegt. Der groĂe Konflikt wird hier gegen den alltĂ€glichen Verlauf des Unausweichlichen eingetauscht. Altsein als langatmige, fast meditative, dabei keineswegs erhabene Tragödie. Dialoge sind eher als sich abwechselnde Monologe angelegt. Das Kammerspiel findet hauptsĂ€chlich rund um eine raumfĂŒllende ovale Tafel statt, um die neben den drei Darstellern auch das Publikum versammelt ist. Da ist jedes Atmen zu hören und das Spiel der Schauspieler*innen fast körperlich spĂŒrbar. Das schafft eine IntimitĂ€t und NĂ€he, die dem Thema und dem rhythmischen Sprechtheatertext entgegenkommt. Immerhin sitzen wir frĂŒher oder spĂ€ter alle im selben Boot, respektive am selben Tisch.

Credit: Lex Karelly
Fritzens Sohn heiĂt Franz, âweil er an Franziskus geboren istâŠ, das ist ein interessanter Mann gewesenâ, der ist nicht Fischer, sondern Friseur und will den Vater in einem Pflegeheim unterbringen, organisiert ihm dann widerwillig doch eine junge Pflegerin aus der Ukraine. Die wiederum ist dank ihrer juvenilen Energie im wahrsten Sinne die treibende Kraft in diesem Drei-Personen-Kammerspiel. Auch Alina Danko als hinreiĂend beherzte Pflegerin und Sebastian Pass als Sohn, der mit Tradition und Landleben gebrochen hat, holen aus dem âvorgefundenenâ Text und ihren Rollen das denkbare Maximum heraus. Schauspiel auf hohem Niveau in seiner essenziellen Form ist an diesem Abend erlebbar. Regisseurin Julia Skof hat den Text im positivsten Sinne gewagt in Szene gesetzt. Die Erwartung an den preisgekrönten Text (Publikumspreis beim Förderpreis fĂŒr Neuer Dramatik an den MĂŒnchner Kammerspielen 2021, Gewinnertext bei den Autor:innentheatertagen 2022 am Deutschen Theater Berlin) der Autorin Raphaela Bardutzky ist (subjektiv) nicht ganz erfĂŒllt worden. Er funktioniert einwandfrei, wirkt aber bis auf eine Passage nicht nennenswert nach. Das ist vielleicht der Preis fĂŒr die Leichtigkeit und Verspieltheit, mit der die Autorin sprachlich an die schwere Kost herangeht, und damit wohl letztlich Geschmackssache. Der Schlussmonolog des Sohnes Franz ĂŒber ungefĂŒhrte GesprĂ€che âfischtâ dann aber doch tief.

Credit: Lex Karelly