„Mir ist das Zeitwort für mich verloren gegangen“
Kritik: Fiasko, Theater Quadrat
Text: Robert Goessl - 06.05.2025
Rubrik: Theater
Nach „Schicksallosigkeit“ in der vorigen Saison dramatisiert das Theater Quadrat erneut mit „Fiasko“ einen Roman von Imre Kertész und entführt dabei in eine Gedankenwelt des ständigen Zweifels an der Sinnhaftigkeit des Lebens und der menschlichen Natur. Werner Halbedl, der auch für die Textfassung und Konzept verantwortlich ist, stemmt diesen siebzigminütigen Monolog auf eindrucksvolle Weise, als würde er sich vor dem Publikum in Imre Kertész verwandeln.
Es ist fast leer auf der Bühne. Nur ein Stuhl und ein Glas Wasser stehen auf einem Podest, auf dem sich auch Werner Halbedl, verloren auf den Boden blickend, befindet. Er ist der „Alte“, Imre Kertész Alter Ego, der darum kämpft, in seinem Beruf als Autor einen neuen Roman zu schreiben. Die Umgebung quält ihn, sei es der Gestank der Straße, die er „Die Schlucht der Lügen“ nennt, oder der Lärm, den seine Nachbarin über ihn, von ihm abfällig als „Oglütz“ bezeichnet, verursacht. Es ist, als ob sich seine 28 m² Budapester Wohn- und Arbeitsklause für ihn zugleich, wie ein sicheres Rückzugsgebiet als auch wie ein Gefängnis anfühlt.

Credit: Kropsch/Theater Quadrat
Der „Alte“ und sein Überleben
Er spricht über sich selbst in der dritten Person, immer wieder sucht ihn die Vergangenheit heim und das Gefühl, als „Privatüberlebender“ den Tod im Konzentrationslager überlistet zu haben. Dennoch oder vielleicht genau deswegen fühlt sich sein Leben wie eine Aneinanderreihung willkürlicher Zufälle an. Und dort, wo Hoffnung sein könnte, in dem Moment der Erinnerung, als ihn ein Fremder mit seiner Essensration auf dem Weg ins Konzentrationslager, vermutlich das Leben gerettet hat, vergeht er sich in sachlichen Abwägungen.

Credit: Kropsch/Theater Quadrat
Erinnerungen an die Zweisamkeit
Immer wieder wird der Monolog durch kurze Telefongespräche mit seiner derzeitigen Frau aus dem Off unterbrochen, wie ein Einblick in eine andere Welt, in eine Normalität. Ebenso hält sich die Figur an den Erinnerungen an eine Frau fest, die schon lange die Frau eines anderen ist, an Erinnerungen an eine gescheiterte Ehe, die aber scheitern musste, nicht zuletzt wegen seines „Neins“ zu ihrem Kinderwunsch. Trotz seines Hangs zur Einsamkeit und Isolation ist dabei dennoch immer wieder eine Sehnsucht zu spüren. Doch der Versuch, „mein Dasein als Möglichkeit deines Seins“ zu empfinden, scheitert an der Schonungslosigkeit, mit der er sich selbst und seinem Leben gegenübersteht.

Credit: Kropsch/Theater Quadrat
Die Sinnlosigkeit des Schreibens im Angesicht des unausweichlichen Todes
Er ist wie getrieben von einem ständigen Redezwang, um das Schweigen in sich selbst zu betäuben oder die Gedanken an seine Kindheit, und die damit verbundenen Erlebnisse und Erfahrungen. Es ist nur selten Wut spürbar, es sei denn, es geht um den von „Oglütz“ verursachten Lärm, den er mit Knetmasse, die sich in seine Ohren steckt, bekämpft, um von der Welt da draußen nichts mehr mitbekommen zu müssen. Und es bleibt, dass er „für seine Sünden seine bescheidene Belohnung, für seine Tugenden seine strenge Strafe erhalten hat.“ Der Versuch, ein Buch zu schreiben, verliert sich ständig in Ausflüchte, als ob unendliche Kraft dazu nötig wäre, seine im Sekretär verstecken Unterlagen hervorzuholen. Jegliche Ablenkung scheint willkommen zu sein, denn es sind die Selbstzweifel und die Überzeugung der Sinnlosigkeit des Daseins, die immer die Oberhand gewinnen:
„Meine Arbeit hat mich gerettet, auch wenn sie mich eigentlich natürlich nur gerettet hat für den Untergang. In diesen Jahren erkannte ich auch die wahre Natur meiner Arbeit, die im Grunde genommen nichts anderes ist als ein Schaufeln, das Weiter- und Zuendeschaufeln jenes Grabes, das andere mir in den Wolken, in den Winden, im Nichts zu schaufeln begonnen haben.“
mit der letztendlichen Quintessenz:
„Mein Spaten ist der Kugelschreiber.“

Credit: Kropsch/Theater Quadrat
Ein fesselnder Abend über die Abgründe des menschlichen Seins einer beeindruckenden Persönlichkeit
Während des intensiven Monologs zeigt sich Werner Halbedl als ganz Großer seiner Zunft. Die Worte kommen bedächtig, aber bestimmt und überzeugend aus ihm heraus. Seine Gesten sind reduziert, aber hoch konzentriert. Die Inszenierung beeindruckt in ihrer Dichtheit und Deutlichkeit und erweckt Imre Kertész mehr als nur in Worten zum Leben in einer Art, die sich dem Literaturnobelpreisträger mehr als nur würdig erweist. In diesen siebzig Minuten taucht man in eine Welt ein, die verstörend und faszinierend zugleich ist, und die menschlichen Abgründe und deren Folgen für den einzelnen sichtbar macht.

Credit: Kropsch/Theater Quadrat
Theater Quadrat: „Fiasko“ nach Imre Kertész
THEATERHAUS
Kaiser-Franz-Josef-Kai 50
8010 Graz
Termine:
Do 08., Sa 10., Mi 14. und Sa 17. Mai jeweils 19 Uhr
Karten: Ticketzentrum
Mit: Werner Halbedl
Produktionsleitung: Alexander Kropsch
Konzept und Textfassung: Werner Halbedl
Inszenierung: Theater Quadrat
Technik: Peter Spall
Öffentlichkeitsarbeit: Britta Badura

Credit: Kropsch/Theater Quadrat