Der alte weiße Mann mit und ohne Penis

Kritik: DUDES, Theater im Bahnhof

Text: Lydia Bißmann - 03.12.2022

Rubrik: Theater

Credit: Johannes Gellner

Mit silberhellen, aber starken Stimmen dirigieren Emilia Thelen und Florentina Piffl Ed. Hauswirth und Rupert Lehofer durch die Szenerie. Zwei zwölfjährige Mädchen geben in im Stück “DUDES halten endlich die Klappe” den Ton an.

Die Regisseurin, Performancekünstlerin und Mitbegründerin der Performancegruppe "Monster Truck "Sahar Rahimi hat gemeinsam mit Ed. Hauswirth und Rupert Lehofer mit "DUDES halten endlich die Klappe"ein Stück auf die Bühne des Theaters im Bahnhof gebracht, welches den alten weißen Mann als Marionettenfigur inszeniert. Eine Spielpuppe, die an Fäden, gezogen von jungen Mädchen hängt. Der alte Mann und das Mädchen, zwei klassische Archetypen nach C.G Jung navigieren durch das Stück, das teilweise die Zuschauer fast in tranceartige Zustände versetzt. Zu sehen ist DUDES noch bis zum 16. Dezember im Theater im Bahnhof.

Credit: Johannes Gellner

Ermüdende Rituale

In einem schlichten Bühnenbild (Helene Thümmel), das zwischen Whirlpool-Expo und IKEA-Fundgrube angesiedelt ist, aber ein enorm spannendes Innenleben hat, verwandeln zwei beleibte Mittfünfziger (Rupert Lehofer und Ed. Hauswirth) eine profane Handlung wie das Aufhängen eines Bildes in einen Schöpfungsakt. Dabei darf das in einem Stück ausgetrunkene Bier zur Belohnung am Schluss nicht fehlen. Aufgeladen mit reichlich viel Testosteron-Klischees reichen sie einander Schrauben wie einen heiligen Gral oder liefern sich unnötige Schikanen wie das Verschütten des Bieres auf den grünen Kunstrasenteppich. Man kann den Schweiß aus dem eingelaufenen Acrylpullover und den Bierdunst aus dem zunehmend mehr werdendem Leergut förmlich riechen. Zusätzlich verspürt man den unbändigen Drang, die schlecht geschnittene Polyesterhose von Ed. Hauswirths Kostüm gegen Norden zu ziehen. Zerstört wird die nervenaufreibende Redundanz-Aktion durch das Auftauchen von zwei jungen Mädchen, die nach einer Beobachtungsphase die Kontrolle über die beiden übernehmen. Sie dirigieren sie bis zum bitteren Ende durch die dem Publikum bereits bestens bekannte Szenerie, warten geduldig, aber unerbittlich, bis ihren Regieanweisungen in Erzählform Folge geleistet wird. Als die beiden Dudes schließlich erledigt sind, schlüpfen die beiden Schülerinnen in deren Rollen. Mit breit gespreizten Beinen sitzen sie einander gegenüber und führen einen langweiligen Männer-Monolog, der sich als Dialog verkleidet und dem man nur Aufmerksamkeit schenkt, weil er aus den sehr talentierten Mündern der beiden Mädchen kommt. Auch sie exen zum Schluss, nach einer Phase der Kraftdemonstration mit Handyvideo, ihre Limo, die im Schwarzlicht gefährlich weiß und giftig schimmert.

Credit: Johannes Gellner

Parabel auf die Redundanz der Macht

DUDES ist eine einstündige Performance, in der sehr wenig geredet und viel körperlich gearbeitet wird, was dem Untertitel des Stückes gerecht wird. Ob sie als Abrechnung mit dem viel bemühten Begriff des alten weißen Mannes, einer Minderheit, die seit Jahrhunderten über die Mehrheit regiert, funktioniert, ist nicht so sicher. Es ist aber eine gelungene Parabel auf die ermüdende Redundanz sinnbefreiter Rituale und Verhaltensmuster, die einfach so sind, weil jemand sich einmal eingebildet hat, dass sie so sein müssten. Und sie zeigt, dass man keinen Penis und auch keine schlecht geschnittene Polyesterhose braucht, um als alter weißer Mann durchzugehen.