Bobohausen im Scheinheiligenschein

Kritik: Die Party im Schauraum, Schauspielhaus Graz

Text: Sigrun Karre - 20.01.2024

Rubrik: Theater

Marlene Hauser (Credit: Lex Karelly)

Gelungene Uraufführung der Bühnenadaption von Ulrike Haidachers Roman„Die Party“ im Schauraum des Schauspielhaus Graz unter der Regie von Lukas Michelitsch.

Ulrike Haidacher, bekannt als eine „Ecke“ des formidablen Kabarettistinnen-Duos Flüsterzweieck hat 2021 ihren ersten Roman „Die Party. Eine Einkreisung“ im Grazer Leykam Verlag veröffentlicht. Das unter anderem mit dem Peter-Rosegger-Preis ausgezeichnete Debüt der 39-jährigen gebürtigen Grazerin ist aktuell als Bühnenadaption im Schauspielhaus Graz zu sehen. Das Solo-Stück wurde vom jungen Regisseur Lukas Michelitsch mit viel Fingerspitzengefühl für Tempo und Timing inszeniert. Bereits das minimalistische Bühnenbild (Ausstattung: Kathrin Eingang) deutet die mangelnde Kongruenz von Schein und Sein an: Plastikfolien bedecken zunächst noch bedeutungsvoll mehrere Objekte. Darunter verbergen sich simple schwarze Bausteine, die als Stationen dienen, an denen Marlene Hauser 80 Minuten lang mit Verve in verschiedene Rollen schlüpft. Wie sie das macht, ist großes Theater. Als überqualifizierte Softeisverkäuferin aus Leidenschaft lernt sie den gefeierten Regisseur des Stücks „Die hirnlose Frau“ kennen und landet als „Eisprinzessin“ auf seiner Kochparty. Beim Verzehr von Rohschinken und „Gertis Grammelknödeln“ und zunehmend enthemmt von Sekt und „Jägerbomb“ demaskiert sich eine selbstverliebte Bobo-Clique selbst. So überzeichnet die Figuren auch sind, treffen sie doch im Kern eine ziemlich bittere Wahrheit. Die sprachlichen Pointen speisen sich aus einer klaren Beobachtungsgabe der Autorin. Verena, die 30-jährige Juristin „bei der Bank“, die als „starke Frau“ derb gegen Frauenquote und „Stutenbissigkeit“ wettert, kennt man so ähnlich ebenso wie das Paar, das nach der kirchlichen Hochzeit aus der Kirche austreten möchte, und mit einem Trachten-Start-Up im 50er-Jahre-Look „Feminismus stilvoll leben“ will. Die mit der eingeladenen syrischen Familie nachgespielte Herbergsuche ist etwas dick aufgetragen, ihre Kreation der „Berta-von-Suttner-Dirndl-Schürze“ als Beitrag zum Weltfrieden ziemlich lustig. Getoppt wird das nur noch vom Gastgeber und Regisseur, der die weiblichen Rollen in seinen „feministischen“ Stücken ausschließlich mit männlichen Darstellern besetzt – zum Schutz der Frauen vor Sexismus. Nebenbei betreibt er lupenreines Mansplainig, wenn er in ausufernden Monologen Weisheiten wie folgende von sich gibt: „Ihr bestimmt, wie viel Salz in die Suppe kommt, ihr seid mächtige Frauen“.

Ulrike Haidacher adaptierte ihren preisgekrönten Text für die Bühne im Schauraum des Grazer Schauspielhauses. (Credit: Lex Karelly)

Zirkus der Pseudo-Werte

Wirklich hart wird es, als die Sprache auf Natascha Kampusch kommt. Die Frau, die als Kind entführt und gefangen gehalten wurde, ist in Österreich bis heute Opfer von Hass und Anfeindung. Das gibt Einblick in das, was Österreich leider auch ist: in absurdem Ausmaß empathielos, bösartig, weil voller Projektionen. Korrektiv in diesem Zirkus der Pseudo-Werte ist die zurückhaltende „erdfarbene Frau“, deren Identität erst gegen Ende hin enthüllt wird. Zwischendurch bleibt der Protagonistin Zeit, die abgekühlte Beziehung zur geliebten (?) „großen Schwester“ zu reflektieren. Am Ende war dann alles vielleicht auch nur ein Traum. Seine Bühnentauglichkeit hat der mutige Text definitiv bewiesen. Wie ausdrucksstark und zugleich umwerfend lässig Marlene Hauser die Szenen- und Rollenwechsel bis zur finalen Eskalation meistert, ist ein Erlebnis. Sehenswert!

Credit: Lex Karelly