Die musikalische Identität unserer Nachbarn

Kritik: Die Nachtigall von Gorenjska /Gorenjski slavček in der Oper Graz

Text: Martin Exner - 16.02.2024

Rubrik: Musik

Credit: Werner Kmetitsch

Anton Foersters Nachtigall von Gorenjska (im slowenischen Original Gorenjski slávček) stand erstmals am Programm der Grazer Oper – was seltsam anmutet, denn in unserem nahen Nachbarland Slowenien gilt sie als Nationaloper. Und sie braucht sich auch nicht zu verstecken.

Intendant Ulrich Lenz zeigt schon in seiner ersten Saison in Graz ein gutes Gespür für Spielplangestaltung: Auf Künstlerdrama von Offenbach, Mord und Totschlag von Verdi und Sozialdrama von Eötvös lässt er in seiner vierten Opernpremiere ein heiteres, leichtgängiges Stück folgen, das doch auch seine Tiefen hat. Die Geschichte der jungen Minka, deren ausnehmend schöne Stimme einem durchreisenden Impresario auffällt und die sich schließlich zwischen Heimat, Freund, Familie und den Verlockungen der weiten Welt entscheiden muss, ist einfach gestrickt und in knappen (pausenlosen) 90 Minuten erzählt, das Stück war ja bei seiner Uraufführung 1872 zunächst als Operette komponiert und wurde 1896 in eine Oper umgewandelt. Musikalisch setzt Anton Foerster auf volksliednahen Melodienreichtum, einige von ihm komponierte Melodien sind heute sogar Teil des slowenischen Volksliedguts – die Genialität von Smetanas Verkaufter Braut, mit der das Werk gerne verglichen wird, erreicht die Nachtigall nicht, dennoch finden sich einige sehr hörenswerte Momente darin, wie etwa das Finale des 2 Aktes. Regisseur Janusz Kica, selbst sehr umtriebig auf slowenischen Opernbühnen, macht es anfangs dem Publikum nicht leicht zu erkennen, ob er eine Persiflage auf die Bühne stellt oder ob er das Stück ernst nimmt. Später, vor allem bei Minkas Zweifeln, wofür sie sich entscheiden soll, merkt man seine Sympathie für das Stück, zweiter und dritter Akt gelingen beeindruckend, auch durch das im Original nicht vorgesehene Tänzerpaar (wunderbar zurückhaltend, aber dennoch präsent: Ann-Kathrin Adam und Arthur Haas), das immer wieder die Handlung spiegelt und dem ausgelassenen Finale auch ein wenig Wehmut einhaucht.

Credit: Werner Kmetitsch

Die (etwas zu) spartanische Bühne von Marko Japelj, an eine karge Lagerhalle erinnernd, deren Hintergrund meist vom slowenischen Nationalberg Triglav dominiert wird, nutzt Kica aber geschickt, um mit wenigen Requisiten die jeweiligen Spielsituationen (Dorfplatz, Wirtshaus, etc.) anzudeuten. Er erzählt das Stück geradlinig und fokussiert sich auf die Sänger:innen, was dem spielfreudigen Ensemble offensichtlich große Freude bereitet: Sieglinde Feldhofer ist eine zunächst aufgeweckte, später nachdenkliche Minka, ihr wunderbar lyrischer Sopran scheint ideal für diese Rolle. Ihren Verlobten Franjo gibt der Südtiroler Roman Pichler mit elegantem, hellem Tenor und reschem, forderndem Auftreten. Die Figur von Minkas Mutter Majda singt Mareike Jankowski wie gewohnt äußerst stimmschön, den Impresario namens Chansonette gestaltet Markus Butter mit kernigem Bariton und starkem Schauspiel. Ekaterina Solunya als seine Frau Ninon (eine fast zu kleine Rolle für das talentierte Mitglied des Grazer Opernstudios), Daeho Kim als stimmkräftiger Wirt, Ivan Oreščanin als Franjos Freund Lovro – mit gewohnt starkem Spiel – sowie Wilfried Zelinka als Verwalter Štrukelj und Martin Fournier als dessen Schreiber Rajdelj – beide mit ordentlich komödiantischem Talent ausgestattet – beweisen erneut, wie sehr man sich in der Grazer Oper auf das Ensemble verlassen kann! Der slowenische Dirigent Marko Hribernik, derzeit künstlerischer Leiter des slowenischen Nationaltheaters in Ljubljana, hat Bühne und Orchester fest im Griff, die Grazer Philharmoniker spielen dynamisch differenziert und lassen durch schöne Soli aufhorchen, der Chor singt wie gewohnt präzise und erfüllt in mehreren Szenen solistische Aufgaben souverän. Eine gelungene Erstaufführung also, deren Besuch nur empfohlen werden kann – denn wer weiß, ob man zukünftig wieder zu unseren Nachbarn reisen muss, um deren Nationaloper erleben zu dürfen.

Credit: Werner Kmetitsch