Der Mensch als Antagonist im Narrativ des Klimawandels

Kritik: Die Äffin, TiB im Forum Stadtpark

Text: Robert Goessl - 19.01.2024

Rubrik: Theater

Credit: Johannes Gellner

Das Theater im Bahnhof zu Gast im Forum Stadtpark präsentiert im Rahmen des Projekts „No Hope No Fear“ die Solo-Performance 'Die Äffin'.

Die Frage, warum die Menschheit keine einende Erzählung entwickeln kann, um dem Klimawandel entgegenzutreten, steht im Mittelpunkt von „Die Äffin“. In Zusammenarbeit mit Monika Klengel hat Ed. Hauswirth einen Teil der letztjährigen Produktion „Seltsamer Sonntag“ überarbeitet. Das entstandene Solo-Stück wird sinnigerweise im „Cafe Endzeit“ im Forum Stadtpark aufgeführt. Monika Klengel tritt als Äffin auf und versucht einen Fernseher einzuschalten. Es dauert eine Weile, bis es ihr gelingt. Im Fernseher erscheint Monika Klengel als moderne Version von sich selbst beim Frühstück. Die Äffin spricht zu ihrem modernen Alter Ego im Fernseher, das zunächst keine Reaktion zeigt. Die Welt der Menschen besteht aus gemeinsamen Geschichten, aus Narrativen, die wir alle teilen und die uns miteinander verbinden. Sie spiegeln das Leben in einer verführbar simplen Art wider. Angesichts der Klimakrise muss es doch möglich sein, ein verbindendes Narrativ für die Menschheit zu schaffen. Daher beginnt die Analyse, wie Narrative strukturiert sind. Die Äffin greift dabei auf die Theorien von Joseph Campbell zurück, der Legenden aus verschiedenen Kulturkreisen analysiert hat und darin eine Art Narrativ-Genom für Heldensagen gefunden hat. Ebenso bezieht sie sich auf Kurt Vonnegut, der Geschichten auf acht Grundschemen reduziert: Es wird immer einen Protagonisten, einen Helden, und einen Antagonisten, seinen Widersacher, geben. Eine Tiroler Familie - wir sagen einmal, es sind die Klengels - zieht nach Graz Andritz, baut ein Haus und muss ein Hochwasser überstehen, bei dem fast eines ihrer Kinder verloren geht. Eine Alltagsgeschichte, die in die Schemen der Theorien eingepasst wird. Es funktioniert mit der Familie als Protagonisten und dem Hochwasser als Antagonisten. Wir lieben solche Geschichten, die uns verbinden, auch wenn sie die Wirklichkeit vereinfachen oder überhöhen. Durch sie und ihre festen Strukturen finden wir unseren Platz in der Welt. Die Äffin bedient sich dabei eines Seils, mit dem sie die Erzählstränge am Boden symbolisiert. Sie legt es wie ein Diagramm mit Höhe- und Tiefpunkten sowie Verknüpfungen aus. Dabei besteht eine ständige Interaktion mit ihrem modernen Abbild im Fernseher, das vor sich hin essend nicht antwortet und wie ein bestenfalls halb interessierter Beobachter wirkt. Dies geschieht angesichts der Anstrengungen der Äffin, Geschichten in die Strukturen einzupassen, auf der Suche nach dem Klima-Narrativ. Die Äffin wundert sich, dass sich Hollywood bis auf den Flop „Waterworld“ nicht mit dem Schmelzen der Polkappen als apokalyptisches Szenario auseinandergesetzt hat. Der These nach funktioniert das Narrativ nicht, weil man erst die Perspektive wechseln müsste: Die Natur müsste als Protagonistin betrachtet werden, während der Mensch sich in der Rolle des Antagonisten wiederfindet. In diesem Szenario sind keine Held*innen ausfindig zu machen, denn der Bösewicht, den es zu bekämpfen gilt, wäre die Menschheit selbst, also jede*r Einzelne von uns. Daher fühlen wir uns in dieser Situation hilflos und überfordert.

Credit: Johannes Gellner