'TimeOut' bringt Shakespeare-Pärchen in die Gegenwart

Kritik: Die 2. Chance im Kristallwerk

Text: Larissa Rexeis - 07.03.2023

Rubrik: Theater

Credit: TimeOut /fb

Shakespeares Werke enden für gewöhnlich tragisch. Rache, Stolz und Liebe bringen die Figuren zu waghalsigen Aktionen, die oft bittere Konsequenzen nach sich ziehen. Charlie Vozenilek und Birgit Steiner gaben den Pärchen Anfang März Im Kristallwerk im Stück "Die 2. Chance" eine Möglichkeit zu einem weiteren Anlauf.

Nach vier Jahrhunderten werden Romeo (Murtaza Bahman) und Julia (Julia Buchberger), Hamlet (Clemens Nussgraber) und Ophelia (Maribell Maierhofer) und die McBeths(Ilga Keller und Walter Schweighofer) nun noch einmal zum Leben erweckt. Ihnen wird eine zweite Chance im 21. Jahrhundert angeboten, doch dafür müssen sie eine Reihe an Aufgaben bewältigen. Sie werden von dem Moderatorenpärchen Beatrice und Benedikt (Bettina Jäkel und Max Glatz) mit viel Witz animiert, Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen, toxische Beziehungsmuster zu durchbrechen und ihre veralteten Glaubensansätze zu überdenken.

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Paartherapie für die Wiederbelebten

„Die 2. Chance“ thematisiert gekonnt eine Vielzahl an zwischenmenschlichen und technischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Shakespeares Figuren treffen auf Social Media, Gleichberechtigung und LGBTQ+. Da sind zum Beispiel Romeo und Julia, die endlich das Gespräch mit ihren Eltern suchen sollten, statt nur davonzulaufen . Die McBeths versuchen währenddessen Verantwortung für ihren Mord an König Duncan zu übernehmen und die Schuld nicht immer auf andere zu schieben. Hamlet und Ophelia reden schlichtweg aneinander vorbei, und als dann noch Social Media dazukommt, scheint ihre Beziehung verloren. So scheint Ophelia sich immer mehr von der Realität zu entfernen und in die Tiefen des Handys abzutauchen, schließlich weigert sie sich energisch, mit irgendjemanden außer ihren Followern zu sprechen. Der Bezug zur Realität ist unverkennbar.

Credit: TimeOut /fb

Eine Bühne voller Handlungen

Das Stück lässt durch den Mix aus Sprech-, Tanz- und Bewegungstheater eine bunte Vielfalt an Emotionen zu. Oft laufen mehrere Handlungen parallel ab. Es entsteht außerdem ein erfrischender Kontrast zwischen Shakespeares schwerfälligen, vom Schicksal ausgelaugten Figuren, und den zynisch-quirligen Moderatoren Beatrice und Benedikt. Die Tänzerin Paula Dominici, gekleidet im grauen Ganzkörperanzug, begleitet die Handlungen auf der Bühne mit ihrer hoch eindrucksvollen Tanzkunst. Darüber, ob sie dabei das Schicksal, die Liebe oder doch etwas ganz anderes verkörpert, lässt sich philosophieren. Auch musikalisch ist die Inszenierung keinesfalls eintönig; von melancholischen Klaviermelodien bis zu peppiger Technomusik ist alles dabei. Um "Die 2. Chance" genießen zu können ist es übrigens nicht notwendig, Shakespeare gelesen zu haben. Die Vielfalt an Schauspiel, Musik und Tanz reichen, um den Abend zu einem Vergnügen zu machen.