Motorisierter Nestroy am Pferdehof
Kritik: ‘Der Talisman’ am Hof-Theater//Höf-Präbach
Text: Lydia Bißmann - 24.07.2023
Rubrik: Theater
Ende Juli feierte das Ensemble des Hof-Theater//Höf-Präbach zweifache Premiere. Unter der Regie von Hanspeter Horner wurde Johann Nepomuk Nestroys Vorurteils-Evergreen „Der Talisman“ an einer neuen Location gegeben.
Keine leichte Aufgabe für das Team, das trotz bis zum letzten Blumentischtuch durchdachten Kostümen und Requisite (Lisa Offterdinger und Yukie Koji) in der Reithalle des Pferdehofs am Römerweg gegen die pittoreske Umgebung mit Ponys, Schwalben, Hopfenfeldern und funkelnden Sternen ankämpfen muss. Sie schaffen das aber scheinbar mühelos.
Rainer Juratti als Spund und Michaela Schauersberger als Salome (Credit: Sofie Hütter)
Leichtfüßiger Klamauk mit Tiefgang am Sandboden
Michaela Schausberger gibt offenherzig-leichtfüßig und mit jeder Menge Körpereinsatz die Gänsemagd Salome Pockerl, die als einzige der Protagonist*innen Mitgefühl, Empathie und Integrität an den Tag legt, aber wegen ihrer roten Haare ignoriert bis verachtetet wird. Ignoranz schlägt auch Titus Feuerfuchs (Christian Strasser) entgegen, allerdings nur solange, bis ihm der Zufall eine schwarze Perücke in die Hände spielt. Der gewiefte Außenseiter wird so zum Adonis und schleimt sich durch die Herzen der verwitweten Damen rund um das Anwesen der Frau von Cypressenburg.
Seine Performance, die der klugen und verspielten Rhetorik Nestroys mehr als nur gerecht wird, ist so mitreißend, dass das Publikum fast ohne es zu merken mitsingt, wenn er es verlangt. Zwischendurch nimmt das Spiel nicht nur durch den Sandboden fast zirkushafte Züge an, wenn er wie ein dummer August seinen Worten blitzschnell durch Pantomime und Mimik Einlagen Plastik verleiht. Als es ihm gelingt, ein Weinglas über die Schulter rückwärts in eine Tonne zu werfen, scheint er selbst für wenige Sekunden verblüfft.
Jula Zangerer, die gemeinsam mit Christian Müller das Hof-Theater//Höf-Präbach leitet, spielt eine tussig-naive Kammerzofe im Emu-Look, Anita Klöchl verkörpert mit der Frau von Cypressenburg eine herrlich degenerierte Möchtegern-Schriftstellerin. Ohne mit der Wimper zu zucken, opfert die versponnene Adelige ihre engsten Vertrauten dem Honig, den ihr Mussi Titus ins Ohr träufelt, um seine eigene Haut zu retten. Viel bodenständiger in ihrem Opportunismus ist die Gärtnerin Flora Baumscheer, die von einer zum Anbeißen vitalen Mareike Kremsner dargestellt wird.
Das Hof-Theater//Höf-Präbach spielte das erste Mal am Pferdehof am Römerweg. (Credit: Sofie Hütter).
Klimakleber und glänzende Karosserien
Nach über 180 Jahren ist Nestroys Posse immer noch aktuell, was nicht nur an den zeitgenössischen Einlagen wie der Einsatz der Oldtimer, das plötzliche Auftauchen von Klimaklebern oder die herrlich erfrischende Auseinandersetzung mit Gender-Issues liegt. Salome hat ein Geheimnis und Emma wird vom Musiker Joachim Rigler dargestellt, der zum Stück auch die Musik lieferte. Es sind nicht nur die frisch getexteten Couplets, die einem die Gänsehaut über den Rücken laufen lassen. Es ist auch die Erinnerung an einen schön frisierten Blender, den alle anhimmeln, auch wenn er viel weniger smart als Nestroys Titus Feuerfuchs gewesen sein mag.
Dem Zufall oder der Komik der Zeitgeschichte hat die Truppe des Hof-Theater//Höf-Präbach, das sich aus Profis und Laiendarsteller*innen zusammensetzt, aber nichts überlassen. Sie spielen des Nestroy so, wie er sein soll: mit viel Hingabe und Liebe zur Sprache, mit Authentizität und vor allem mit Augenzwinkern und der nötigen Distanz zu sich selbst. Ein Ausflug auf den Pferdehof am Römerweg, ist mehr als nur ein erstklassiger Theaterabend, der seinesgleichen sucht, er ermöglicht auch ein kleines Stück Urlaub mitten im Alltag.
Infos und Termine: Hof-Theater// Höf-Präbach