Binge Watching im Schauspielhaus Graz

Kritik: Das Reich: Hospital der Geister, Schauspielhaus Graz

Text: Lydia Bißmann - 22.01.2023

Rubrik: Theater

Credit: Lex Karelly

Regisseur Jan Christoph Gockel hat die legendäre Lars von Trier Serie Riget (Das Reich) gemeinsam mit Karla Mäder für die Bühne adaptiert. In vier Stunden zeigt er hier sechs Folgen der Mischung aus Krankenhaus- und Zombie-Serie von denen keine Sekunde zu lang ist.

In den 90er-Jahren produzierte Lars Trier die gruselige Krankenhausserie „Riget“, die durch die exzellente Schauspielkunst der Mitwirkenden, Wortwitz, spritzige Dialoge und Mysteryelementen punkten konnte. Erst 26 Jahre später wurde die dritte Staffel produziert und im Vorjahr bei den Filmfestspielen in Venedig vorgestellt. Reign (dänisch für Reichskrankenhaus) ist die Lieblingsserie von Regisseur Jan-Christoph Gockel, der in Berlin studierte und für Iris Laufenberg zu Beginn ihrer Intendanz vor acht Jahren „Merlin“von „Merlin oder Das wüste Land“ von Tankred Dorst inszenierte.

Credit: Lex Karelly

Seriencharakter auf der Drehbühne

Es ist keine leichte Aufgabe, den Charakter einer Serie auf die Bühne zu bringen, aber der Inszenierung gelingt es, die typischen Core-Values zu integrieren. Es gibt vor jeder Folge ein Serienmedly (gesunden oder auf der E-Gitarre gespielt), einen Vorspann und gut platzierte Pointen. Mit der Handkamera gefilmte Close-ups erlauben einen schnellen Szenenwechsel. Vor jeder Folge wird das berühmte Intro: „Seid bereit für das Gute und das Böse“ beschworen. 17 mehr oder weniger liebenswert-skurrile Charakter fegen in den Szenen über die Bühne, die von Julia Kurzweg in ein herrlich rottiges Krankenhaus samt düsteren Kellern, Liftschächten und Schlaflabor, angesiedelt auf ehemaligem Sumpfgebiet in Dänemark, verwandelt wurde.

Credit: Lex Karelly

Seid bereit für das Gute und das Böse

Es wird überwiegend in kleinen Konstellationen gespielt, was dabei hilft, den Überblick zu bewahren. Da gibt es Neurochirurg Jørgen Krogshøj „Krogen“ (Florian Köhler), der es seinem aufgeblasenen Vorgesetzten Stig Helmer (Franz Solar) heimzahlen will, den ewigen Sohn Bulder Drusse (Alexej Lachmann), der seiner Mutter Sigrid Drusse (Beatrice Frey) auf der Geisterjagd helfen muss. Der Portier (Mathias Ohne) führt gemeinsam mit dem Gesundheitsminister, Gevatter Tod und Hausmeister (Florian Finsterbusch) durch die Szenen. Beide necken einander liebevoll und liefern lakonische Kommentare zum Geschehen ab. Klinikleiter Einar Moesgaard (Oliver Chomik) will mit der PR-Aktion „Morgenluft“ die Stimmung im Krankenhaus heben und seinen etwas degenerierten Sohn Mogge (Raphael Muff) durch die Vordiplomprüfung bringen. Dieser hat aber nur die Leiterin des Schlaflabors (Evamaria Salcher) im Kopf. Assistenzärztin Judith (Lise Birker Balze) ist schwanger von einem ominösen Mann, möchte das Kind aber mit Krogen aufziehen. Anästhesistin Rigmor Mortensen (Susanne Konstanze Weber) wiederum steht auf Alternativmedizin und ihren egoistischen Lover Stig Helmer, mit dem sie unbedingt zusammenziehen will. Ein "creepy" Pathologe (Andri Schenardi) nutzt die Mitgliedschaft in der Freimaurerloge, deren Mitglieder ständig besoffen zu sein scheinen, dazu, ein gefährliches Experiment am eigenen Körper zu wagen. Tanja Hameter spielt ein Medium, das den Kontakt in die Geisterwelt ermöglicht. Sie kann in Wirklichkeit weder hören noch sehen. Mit dem Publikum und den anderen Darsteller*innen kommuniziert sie mithilfe ihrer Dolmetscherin Claudia Wolf-Straubinger, die von Sophie du Vinage ebenfalls kostümiert wurde. Sie fällt gar nicht auf, da ohnehin so viele Menschen auf der Bühne herumlaufen, tanzen, umbauen oder sonst was machen. Auch die Puppen, von Michel Pietsch, die die Geister und Dämonen darstellen, fügen sich ganz leicht in das Spiel ein, werden mal vom Puppenspieler, mal von den Schauspieler*innen bewegt.

Credit: Lex Karelly

Stück mit Suchtpotenzial

Hospital der Geister bietet eine unglaublich unterhaltsame Bühnenshow mit klugem Slapstick, absurder Situationskomik, einem gut durchdachten Plot und sehr konzentrierter Leistung von allen. Mit jeder Folge scheinen die Schauspieler*innen, denen es scheinbar mühelos gelingt, die Aufmerksamkeit des Publikums über Stunden zu halten, noch energiegeladener zu werden. Dies kann auch daran liegen, dass die Handlung mit der Zeit immer schrägere Aktionen zulässt, was mit Begeisterung ausgeführt wird. Eine Produktion, die man auf keinen Fall versäumen darf und die sich wunderbar als Einstiegsdroge für jene eignet, die sonst nicht so gerne ins Theater gehen.