Roland Schimmelpfennigs Kinderstück in Graz

Junge Kritik: Die Biene im Kopf, Next Liberty

Text: Laura Troicher & Sigrun Karre - 09.05.2023

Rubrik: Theater
Kinder-Kritik: Die Biene im Kopf, Next Liberty

Credit: Sigrun Karre

Roland Schimmelpfennigs Kinderstück „Die Biene im Kopf“ steht aktuell am Spielplan des Grazer Next Liberty. Ein unbedingt sehenswertes Stück über die Macht der Fantasie.

Bemerkenswert am Theatertext des Dramatikers, mit Zielpublikum 8 Jahre plus, ist die Balance zwischen Poesie und Alltagsdrama. Der Text beschönigt nichts, sondern reißt mit der Kraft von Sprache und Fantasie wie nebenbei neue Spielräume auf. Die Inszenierung von Josef Maria Krasanovsky am Next Liberty schafft es, diese Räume offen zu halten. Erwähnenswert ist die fantasistische Live-Musik inklusive Rap von Anna Tropper-Lener. Das körperbetonte Spiel der Darsteller*innen Simone Leski, Martin Niederbrunner und Christoph Steiner macht bis zur letzten Minute Spaß, Ausstattung (Vincent Mesnaritsch) und Animation (Dominika Kalcher) haben jugendlichen Appeal mit einem feinen Schuss Humor.

Die Schülerin Laura Troicher (13) war für KUMA bei der Premiere und hat sich Gedanken über das Stück gemacht:

Beim Betreten des Theaters putzen sich zwei Männer und zwei Frauen die Zähne und haben Shorts bzw., Jogginghose an. Später sind nur noch zwei Männer und eine Frau auf der Bühne, die andere Frau macht neben der Bühne die Musik und die Geräusche. Die zwei Darstellerinnen und ein Darsteller spielen eine Person (am Anfang weiß man das aber noch nicht), die sich in ihrer Vorstellung in eine Biene verwandelt. In diesem Bienenkörper fliegen die drei durchs Zimmer und verwandeln sich dann wieder zurück. Da wacht die Person auf und man erkennt, dass es ein Traum war. Es ist in der Früh und die Person hat verschlafen und muss zur Schule, ist also ein Schüler. Das kann man nicht sofort erkennen, weil das Bühnenbild nicht wie ein Jugendzimmer aussieht, sondern ganz schlicht ist. Es besteht aus verschiedenen Würfeln mit türkisfarbenen Fliesen und erinnert an ein Schwimmbad. Vielleicht hat das Bühnenbild auch mit einem Computerspiel zu tun, denn das Stück ist wie ein Computerspiel aufgebaut, wo der Junge verschiedene Level erreichen muss und am Ende erscheint dann der Schriftzug „Mission complete“. Das ist eine witzige Idee. Das Stück spielt im Zeitraum eines Schultages vom Aufstehen bis zum Schlafengehen. Das erste Level ist, dass er es aus dem Haus rausschafft.
Kinder-Kritik: Die Biene im Kopf, Next Liberty

Credit: Stella Kager

Er kann fliegen…

Der Junge hat Stress, weil er verschlafen hat. Die Eltern haben beide keinen Job, der Vater ist Alkoholiker, raucht ganz viel und ist am Esstisch neben dem Aschenbecher und den leeren Bierflaschen eingeschlafen. Deswegen ist es für den Jungen schwierig, seine Morgenroutine zu erledigen. Niemand macht ihm ein Frühstück oder eine Jause und er darf die Eltern nicht wecken, weil sie ihn sonst anschreien. Diese Szene macht beim Zusehen traurig. Das Stück ist aber so gemacht, dass jüngere Kinder nicht alles verstehen und es deswegen für sie nicht überfordernd ist. Für Teenager, die die Hintergründe verstehen, ist es auch interessant und nicht langweilig oder kindisch. Der Junge hat keine Freunde und auch in der Familie niemanden, der ihn unterstützt, deswegen muss er sich um alles selbst kümmern. Für ihn ist es später sogar eine Überwindung, das eigene Zuhause zu betreten, weil es dort trostlos ist und er sich vor den Eltern fürchtet. Die Szene in der Schule ist dafür sehr lustig, im Unterricht wird der Junge wieder zur Biene und muss aufpassen, dass er nicht von seiner Schulkollegin Susanne Matzanke erschlagen wird. Da heißt es, die Lehrerin schreit und dann flüstert die Lehrerin aber ganz freundlich. Da musste ich lachen. Am Anfang hat mich verwirrt, wie die Darsteller*innen zwischen dem Bienenkörper und dem normalen Körper geswitcht sind, aber dann ist mir aufgefallen, dass sie immer die Sonnenbrille aufsetzen, wenn sie die Biene spielen, dann war es nicht mehr verwirrend. Sie spielen immer unterschiedliche Rollen. Lustig ist, wie sich sie selbst Regieanweisungen geben, Z. B. „Und ich spiele jetzt den Seemann“, dadurch bekommt man den Rollenwechsel mit.
Kinder-Kritik: Die Biene im Kopf, Next Liberty

Credit: Stella Kager

Next Level

Der „Zwei Brüder-Rap“ ist auch cool, oder dass die Musikerin mit der Geige zuerst eine traurige Szene begleitet und gleich darauf mit demselben Instrument eine aufregende Szene, aber ganz anders. Dass sie mit einem Instrument ganz verschiedene Gefühle ausdrücken kann, oder dass sie die Geräusche dazu macht, wenn der Junge eine Watsche bekommt oder sein Herz laut vor Angst klopft, als er von den zwei Brüdern verfolgt wird, ist spannend. Meist geht im Theater der Vorhang zu, wenn das Bühnenbild wechselt, dann kommen Bühnenarbeiter und machen das. Bei „Die Biene im Kopf“ im Next Liberty bauen die Schauspieler*innen die Bühne vor dem Publikum selbst um, indem sie Würfel anders anordnen. Das gehört dann zum Spiel, das finde ich gut. Obwohl sie sich sehr viel bewegen und auf den Boden werfen, sind die Schauspieler*innen nie außer Atem. Die haben richtig Kondition, das wirkt sehr professionell. Man nimmt ihnen ab, dass sie Jugendliche darstellen. Dass sie ein wenig übertreiben, gehört zum Theater und ist komisch. Bei zwei Szenen gehen sie hinter die Kulisse, dann sieht man nur ihre Schatten, das ist ein toller Effekt. Auch die Visuals, wo es Blütenblätter regnet oder sie zur Sonne fliegen oder ein Comic-Superheld erscheint, sind einfallsreich, so wird es nie langweilig. Das Ende könnte vielleicht noch teilweise spektakulärer sein, man weiß nicht gleich, dass es das Ende ist. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir die Szene mit dem Seemann, der den Jungen in sein Haus locken will. Da finde ich cool, dass er „Nein“ sagt und sich nicht überreden lässt. Der Freund sagt nämlich zu ihm „Mach es nicht!“ Ich glaube, der Freund spielt in dieser Szene seine innere Stimme, die ihn bestärkt, seinem Gefühl zu vertrauen. Er ist dann stolz auf sich selbst, diese Prüfung geschafft zu haben und ins nächste Level zu kommen.Die Botschaft des Stücks ist, denke ich, dass der Junge etwas ganz Besonderes ist, weil er es schafft alles allein zu bewältigen. Er überwindet immer wieder seine Angst und ist ziemlich mutig und stark. Mir hat das Stück sehr gut gefallen, ich kann es auf jeden Fall empfehlen, es ist gut gespielt, sehr fantasievoll und unterhaltsam. Es macht nachdenklich und ist zugleich hoffnungsvoll.

Laura ist 13 Jahre alt, sie liest und schreibt gerne und besucht die 3. Klasse des BG Seebacher in Graz.

Kinder-Kritik: Die Biene im Kopf, Next Liberty

Credit: Stella Kager