„Publikum muss große Kulturevents erst legitimieren“
Interview: Bernhard Rinner, GF Bühnen Graz
Text: Stefan Zavernik - 07.06.2024
Rubrik: Theater
Auch in diesem Sommer wird die Kasematten-Bühne auf dem Grazer Schlossberg Schauplatz eines internationalen Opern-Highlights sein. Wir sprachen mit Organisator Bernhard Rinner über die heurige Produktion im Zeichen von Richard Wagner und die Massentauglichkeit von Kunst und Kultur am Beispiel Klanglicht.
In diesem Sommer holen Sie mit der Produktion „Der Ring an einem Abend (fast) ohne Worte“ die Stars aus Bayreuth auf den Grazer Schlossberg. Welche Idee steckt hinter der diesjährigen Produktion?
Wir wollen die Geschichte des Rings in einer Kurzversion erzählen. Hierzu nehmen wir die Konzertfassung von Lorin Maazel als Grundlage und ergänzen diese durch eine Reihe gesanglicher Highlights mit den großen Stars aus Bayreuth wie Klaus Florian Vogt oder Michael Volle. Es handelt sich in dieser Konstellation um eine Uraufführung unter der künstlerischen Leitung von Marcus Merkel. Unser Ziel ist es letztendlich, dass das Publikum ein Gefühl dafür bekommt, wofür die Geschichte des Rings der Nibelungen steht, ohne dass es sich dafür an vier aufeinander folgenden Abenden einer episch langen Inszenierung hingeben muss.
Für wen ist die Produktion zugeschnitten, Wagnerianer oder Neulinge?
Für beide. Wir wollen Menschen erreichen, die sich über das Erlebnis „Der Ring“ aufgrund der ungeheuren Komplexität bisher nicht „drüber trauen“. Zugleich wollen wir aber auch Wagner-Fans einen Leckerbissen servieren. Eine Produktion wie diese hat es in dieser Zusammensetzung noch nirgends gegeben. Mit Elena Pankratova haben wir zudem einen Weltstar auf der Bühne, der als Professorin der Kunstuni Graz auch einen engen Graz-Bezug aufweist.
Der Ring ist die bereits vierte, starbesetzte Opernproduktion, die im Sommer auf den Kasematten stattfindet. Wie schwierig ist es, weltberühmte Künstlerinnen und Künstler für diese Sommerproduktionen zu engagieren?
Als wir mit der ersten Produktion im Jahr 2020 begonnen haben, war es sehr schwierig, von den Kasematten hatten viele der großen Sängerinnen und Sänger noch nie etwas gehört. Einige von ihnen waren zwar schon in Graz beim Musikverein, aber die Bühne am Schlossberg war für sie absolutes Neuland. Aus dem Rückspiegel betrachtet hat uns die Produktion „Tosca“ mit Jonas Kaufmann im Jahr 2021 enorm geholfen. Eine der Szenen erreichte auf YouTube enorme Reichweite.
Diese Szene wurde für uns zu einem Türöffner, wenn es darum ging, Agenturen und Künstlern mit einem Video einen Eindruck zu vermitteln, was wir in Graz auf die Beine stellen. Auch die Aufzeichnung von ORF3 hilft uns heute sehr. Sehen die Agenturen diese Filme, heißt es meist: darüber können wir reden! Und dann beginnen die Gespräche. Ich will jetzt nicht übertreiben, aber dass wir heute bereits mit großen Sängerinnen und Sängern über die Produktionen in den Jahren 2026 und 2027 verhandeln können – 2025 ist bereits fertig programmiert – ist ein Hinweis darauf, dass die Kasematten auf der internationalen Landkarte mittlerweile ein Fixpunkt geworden sind.
v.l.n.r: Ring-Dirigent Marcus Merkel und Grazer Spielstätten-Geschäftsführer Bernhard Rinner, Credit: Robert Szeberenyi
Alle Sommerproduktionen der letzten Jahre waren bisher restlos ausverkauft. Gibt es Überlegungen, dieses Projekt weiter auszubauen?
Vieles ist denkbar, aber eines steht fest: Die Location kann, was ihr Fassungsvermögen betrifft, nicht wirklich erweitert werden. Es handelt sich um ein historisches Bauwerk. Bei einer baulichen Veränderung würde die Atmosphäre des Raumes womöglich darunter leiden.
Haben Sie mit dem Erfolg der Sommerproduktionen in diesem Ausmaß gerechnet?
Wir haben mit dieser Art der Sommerproduktion während Corona begonnen. Zu Beginn war das Projekt nicht als Serie geplant. Der Zufall hat seinen Teil dazu beigetragen, es entwickelte sich ein richtiger Nachfragesog nach diesen Aufführungen und so haben wir das Ganze weiterentwickelt.
Klanglicht 2022, Chronos by Mo Ya, Credit: Luke Goodlife
Ende Oktober wird Klanglicht die Grazer Innenstadt wieder in einen kunstvollen Ausnahmezustand versetzen. Das Festival hat sich in den letzten Jahren auch international einen Namen gemacht. Wie entsteht das Programm?
Für das Programm ist Kuratorin Birgit Lill verantwortlich. Ich bin sehr glücklich, sie im Team zu haben. Sie ist eine profunde Kennerin der internationalen Lichtkunstszene und mit vielen maßgebenden Lichtkunstfestivals in regelmäßigem Austausch.
Für jede Ausgabe von Klanglicht erhalten wir mittlerweile Projektangebote von Künstlerinnen und Künstlern. Genauso gehen wir gezielt auf Künstlerinnen und Künstler zu, um eigens für Graz entwickelte, originäre Projekte zu realisieren. Darüber hinaus haben wir für dieses Jahr auch einen eigenen Call gestartet. Hier werden Installationen für konkrete Locations ausgeschrieben, wie etwa für den Schloßbergtunnel. Wichtig ist uns, dass die künstlerische Handschrift des Festivals trotz aller Massentauglichkeit an allen Locations klar zu erkennen ist.
In diesem Jahr geht es zurück an den Ursprung, an die Oper Graz. Worauf darf sich das Publikum freuen?
Was ich bereits anteasern kann, ist, dass wir in diesem Jahr die Vorderseite der Oper Graz bespielen werden. In der Vergangenheit hatten wir immer die Rückseite über den Kaiser-Josef-Platz inszeniert. Der Ring wird gesperrt und auch das Next Liberty wird Teil der Installation. Es wird ein sehr intensives Erlebnis für das Publikum werden. Wir werden uns im öffentlichen Raum über zahlreiche Locations auch noch einmal mehr deutlich verbreitern.
Könnte die Steiermark mehr kulturelle Großveranstaltungen wie Klanglicht vertragen, um die breite Bevölkerung für Kunst und Kultur abzuholen?
Ja, ich bin für möglichst viele massentaugliche Kulturprojekte. Ich bin ein Fan von Kunst im öffentlichen Raum und verspüre einen nahezu missionarischen Geist, wenn es darum geht, Menschen davon zu überzeugen, dass es sich auszahlt, sich mit Kunst zu befassen. Darüber hinaus haben wir einen klaren Auftrag: Kunst soll im öffentlichen Raum eine Rolle spielen. Ich bin aber dagegen, dass solche Events am Reißbrett entstehen. Es braucht ein Wachsen. Und es braucht die Annahme durch das Publikum.
Klanglicht war zu Beginn nicht als Massenevent geplant. Wir haben das Festival 2015 erst- und eigentlich einmalig durchgeführt und wurden durch seine Strahlkraft überrascht. Das Publikum hat uns quasi legitimiert, weiterzumachen und das Festival größer werden zu lassen.