Kunstarbeit im Netz

Im Porträt: mur.at

Text: Lydia Bißmann - 12.04.2022

Rubrik: Kulturland Steiermark

Travel4U erlaubt Reisen mit einem Mini-Roboter (Fotocredit: mur.at)

Lebensnerv der freien Szene. So unterstützt der Verein mur.at die freie Szene in Graz mit Netzwerken, technischen Tools und Know How.

Gar nicht weit weg vom namensgebenden Stadtfluss Mur, unweit vom bunten Treiben des Augartenparks ist der Verein mur.at beheimatet. Vielen ist er ein Begriff, haben doch um die 400 Mitglieder der freien Grazer Kunst- und Kulturszene, wie Forum Stadtpark, Mezzanin Theater, Theater im Bahnhof, Camera Austria u. v. m. hier ihre ­E-Mail-Postfächer und Webseiten gehostet. Weniger bekannt ist vielleicht die Tatsache, dass der Verein auch eine intellektuelle und operative Heimat für digitale Kunst anbietet und diese aktiv fördert. In der Leitnergasse stehen die Server, gibt es eine Künstlerinnenwohnung für Artists in Residencies, werden Podcasts aufgezeichnet, Workshops angeboten und auch Publikationen auf echtem Papier produziert.

Andreas Zingerle ist selbst Netzkünstler und Geschäftsführer bei mur.at (Fotocredit: Karius.org)

Eine Heimat für Webseiten und Co.

Der Verein wurde 1999 von Reni und Jogi Hofmüller, Winfried Ritsch und Wolfgang Reinisch gegründet. In den ersten Jahren stand die Schaffung von Internetzugängen zur künstlerischen Nutzung im Vordergrund. Inzwischen geht es um infrastrukturelle Notwendigkeiten und das Bemühen, die Arbeit der freien Kunst- und Kulturszene mit technischen Mitteln zu erleichtern. Über 1.000 User nutzen dieses unkommerzielle und lokal in Graz betriebene Alternativangebot zu Google, Apple und Co. Open-Source-Werkzeuge für digitales künstlerisches Arbeiten werden bereitgestellt. Neben E-Mail-Lösungen, Webspace und Mailinglisten gibt es Tools für Videokonferenzen und Datenwolken. Zu fairen Bedingungen, made in Styria, ohne Ausbeutung der Nutzerdaten. Der Serverraum wird mit Ökostrom gekühlt, regionale Dienstleister bevorzugt und es gibt strenge Regeln zu Fair Pay oder Genderfragen. Abgerechnet werden die Leistungen für die Community über einen fluiden Jahresbeitrag.

Miniserver mit Solarantrieb (Fotocredit: mur.at)

Ökologie und Fairness per Mausklick

Dass Serverfarmen Stromfresser sind, ist bekannt. Was man dagegen tun kann, oft weniger. Genau da bietet mur.at nicht nur Abhilfe, sondern will auch zum Denken und Handeln anregen. Wie vor dem Obstregal im Supermarkt können User auch bei der Wahl ihres Webhosters auf ihren CO2-Fußabdruck achtgeben. Es ist eigentlich ganz einfach – je kürzer das Glasfaserkabel, über das die Information verschickt wird, desto besser für die Umwelt. Der „solidarische Mitgliedsbeitrag” – kurz SoMiBe – funktioniert wie eine Versteigerung, bei der jedes Mitglied ein Angebot abgeben kann. Manche zahlen mehr als der Schnitt, andere können, wenn es finanziell eng ist, weniger abgeben. Das Programm ist eigens für diesen Zweck von Jogi Hofmüller geschrieben worden. Seit einem Jahr ist Andreas Zingerle, Medienkünstler aus Innsbruck, neben drei weiteren Angestellten (Ralph Wozelka, Christiana Wallner und Djamil Vardag) als Geschäftsführer im Verein tätig. Zingerle möchte die wichtige Arbeit des Vereins sichtbarer machen – für Fördergeber wie etwa die Stadt Graz und das Land Steiermark, die die Infrastruktur des Vereins unterstützen, aber auch für alle anderen.

Um die 400 Mitglieder wie das Mezzanin Theater werden bei mur.at gehostet (Fotocredit: Clemens Nestroy)