Jetzt wird's (noch) dramatisch(er)!

Der Grazer Rüssel. Ein Preis für die Freie Theaterszene

Text: Sigrun Karre - 05.10.2023

Rubrik: Theater
Günter Riegler und das andere Theater in Graz

Stadtrat Dr. Günter Riegler, Mag. Katharina Dilena und Dr. Andrea Egger-Dörres von 'Das andere Theater '(Foto: Stefan Zavernik)

'Der Grazer Rüssel' wird ab nächstem Jahr jährlich an eine herausragende OFF-Theaterproduktion in Graz vergeben. Der Freie-Szene-Theaterpreis ist eine gemeinsame Initiative von 'Das andere Theater'(DaT) und Kulturstadtrat Günter Riegler. 

Mit dem Ernst-Binder-Stipendium, das jährlich an Bühnen-Künstler*innen vergeben wird und dem Retzhofer Dramapreis, einem im Zwei-Jahre-Turnus verliehenen Literaturpreis für Nachwuchs-Dramatiker*innen war Graz in Sachen Förderung von darstellender Kunst schon recht gut aufgestellt. Im Sinne von ‘aller guten Dinge sind drei’, ist mit einem Theaterpreis, der ab 2024 jährlich an eine Grazer OFF-Produktion verliehen wird, nun ein lang gehegter Wunsch des anderen Theaters (DaT) erfüllt worden: “Ein Preis für die Freie Szene war der erste Punkt auf unseren Jour Fixe-Fragestellungen bei Antritt von Stadtrat Günter Riegler 2017, immerhin spielt die Freie Szene eine große Rolle im Kulturraum und -leben der Stadt. Das wollten wir honoriert wissen.” so Andrea Egger-Dörres, Geschäftsführerin und Gründerin des DaT. Kultur-Stadtrat Günter Riegler hat sich für die Idee stark gemacht, mit dem Ergebnis, dass in knapp einem Jahr am Freitag, dem 13. September 2024 zum ersten Mal 'Der Grazer Rüssel' von der Stadt Graz verliehen wird. Dass die erste Preisvergabe  im Rahmen von '25 Jahre Das andere Theater' stattfinden wird, trifft sich nicht schlecht. 

Graz als Theater-Brutstätte 

Datums- und Namenswahl spielen bewusst mit einem Zwinkern, der "Rüssel“ selbst ist mit einer Dotierung von 10.000 Euro ein durchaus ernst zu nehmender Preis. Entlehnt wurde der Name - für ‘Magic Wolfi’-Fans unschwer zu erkennen - Wolfgang Bauers absurdem Theaterstück 'Der Rüssel', das erst vor fünf Jahren posthum uraufgeführt wurde.  „Wir sind nicht, wie Salzburg oder Bregenz, ein Aufführungsort von Fremdproduktionen, sondern zeichnen uns dadurch aus, dass wir in Graz eine besonders hohe Dichte an Theaterproduktionen haben, deswegen ist dieser Preis kulturpolitisch höchst sinnvoll", betont Riegler. 40 bis 50 freie Theater-Kollektive gibt es laut Katharina Dilena von der DaT alleine in Graz, davon realisiert rund die Hälfte mehrere Produktionen jährlich. Der frisch aus der Taufe gehobene Preis richtet sich an Theater, deren Vereine bzw. Produktionsstätten in Graz ansässig sind, die als Freies Theater arbeiten und - in Abgrenzung zu steirischen Preisen - von der Stadt Graz gefördert werden. 

Plusrechnung mit Publikumsbeteiligung

Ein Anliegen war es, die Wahl möglichst demokratisch zu gestalten und insbesondere die Stimme(n) des Theaterpublikums mit einzubeziehen. „Theater wird ja für das Publikum gemacht", begründen Riegler und Egger-Dörres unisono, weshalb man sich gegen einen reinen Jurypreis entschieden hat. Praktisch umgesetzt wird das online mittels QR-Code am jeweiligen Spielort direkt nach den Aufführungen, bis 7 Tage nach dem letzten Vorstellungstermin ist eine Stimmabgabe möglich. Die Publikumsbewertung wird mit der Bewertung der DaT-Mitglieder und Grazer Kulturredaktionen addiert. Dass Kulturarbeit Zeit und kontinuierliche Bemühungen braucht, um zu gedeihen, ist am Beispiel der Grazer OFF-Theater-Szene gut sichtbar. Laut Egger-Dörres konnte sich die Szene, von denen einige Protagonist*innen überregionale Relevanz erlangt haben, in den letzten 30 Jahren nicht zuletzt deswegen so gut entwickeln, weil der damalige Kulturstadtrat Helmut Strobl „mit den Leuten geredet hat” und mit dem Theatro als Veranstaltungsort oder dem Probenhaus in der Orpheumgasse gute Rahmenbedingungen schaffen konnte. Nach Wien ist Graz heute die Stadt mit den meisten freien Theatern in Österreich. Die Inhalte und Formate sind vielfältig. Von Performance- und Impro-Theater, über Forum Theater, partizipative Formate bis zu zeitgenössischen Theatertexten und experimentellen, genreübergreifenden Projekten wird in Graz auf den Freien Bühnen, aber auch im öffentlichen Raum und an eher “kulturferneren” Orten jede Menge Freies Theater gemacht. 

Zahlen und Herbergssuche

Dass man mit Kulturstadtrat Günter Riegler auch aktuell “einen guten Partner” hat, der langfristig denkt und sich unter anderem vorgenommen hat, den Fair Pay Gap in den nächsten Jahren zu schließen, wird vom DaT begrüßt. Riegler, neben dem Kultur- auch mit dem Wirtschaftsressort in der Stadtregierung betraut, verweist auf Fakten und Zahlen. 40 Prozent des Kulturbudgets gingen in Graz an die darstellende Kunst (mit Bühnen Graz),  13 Millionen an die Freie Szene aller Kunstsparten. Ein Anteil von 4,6 Prozent am Gesamtbudget der Stadt Graz für Kultur ist, verglichen mit anderen Landeshauptstädten, keine schlechte Quote. Nur Linz steht mit etwa 5 Prozent Anteil besser da, in diese Richtung wolle man sich wieder bewegen, so Riegler. Wünsche oder vielmehr Handlungsbedarf hat auch das DaT. Mit dem Kristallwerk hat man seit einigen Jahren eine eigene Produktions- und Spielstätte, die sich gut etablieren konnte. Mittlerweile besteht aber dringender Sanierungsbedarf. Es sei an der Zeit, in die Zukunft zu schauen und sich nach räumlichen Alternativen umzusehen, auch wenn ein Umzug noch nicht spruchreif ist. Schmunzelnd spielt Egger-Dörres auf das Improvisationstalent der Freien Szene an: "Solange es Gaffa gibt, gibt es das Kristallwerk!”