Kino, Lügen und die Liebe
BuchTipp: Tahara von Emanuel Bergmann
Text: - 21.02.2024
Rubrik: Literatur
Einblick in die Welt des Kinos
Emanuel Bergmann, selbst jahrzehntelang als Filmjournalist tätig, hat nun ein Buch über die schillernde und glitzernde Welt des Kinos geschrieben. Anders als sein Bestsellerroman „Der Trick (2027)“ ist sein neues Werk „Tahara“ in der Gegenwart angesiedelt. Mit Tahara bietet er einen liebevoll-komischen Einblick in das Filmbusiness und eine Hommage an das Kino gewürzt mit einer amüsanten Beziehungskiste.
Marc Klein, Emanuel Bergmanns alter Ego, ist Filmkritiker und toppt mit seinen ungewöhnlichen Interviews. Am Filmfestival in Cannes begegnet er seiner Kollegin Héloïse, mit der er eine vibrierende Liaison beginnt. Auf Filmpartys, glamourösen Premierenfeiern und bei Pressekonferenzen wird geflunkert, was da Zeug hält – beide haben dunkle Geheimnisse, vor denen sie auf der Flucht sind. Ein berührender und temporeicher Roman über die Lügen und die Liebe.
Emanuel Bergmann wurde 1972 in Saarbrücken geboren. Nach seinem Abitur zog er nach Los Angeles, um Film und Journalismus zu studieren. Über viele Jahre hinweg arbeitete er für verschiedene Filmstudios, Produktionsfirmen und Medien sowohl in den USA als auch in Deutschland. Bergmann ist bekannt als der Autor des Romans „Der Trick“, der in 17 Sprachen übersetzt wurde. Er lebt zusammen mit seiner Frau und ihren beiden Kindern in der Nähe von Frankfurt am Main.
Titel: Tahara, Roman
Autor: Emanuel Bergmann
Verlag: Diogenes
Erscheinungstermin: 21.2.2024
288 Seiten
ISBN: 978-3-257-07243-3
Emanuel Bergmann (Credit: Joël Hunn / Diogenes Verlag)
Ein Interview mit Emanuel Bergmann
Transkription eines Gesprächs mit Anne H. Kaiser, September 2023. © by Diogenes Verlag AG Zürich.
Ihr Roman Tahara führt uns mitten in das Geschehen rund um das Filmfestival in Cannes. Sie waren selbst 18 Jahre als Filmjournalist tätig. Wie viel von Ihren eigenen Erfahrungen floss in den neuen Roman ein?
Sehr viel, ohne meine beruflichen Erfahrungen hätte ich ihn nicht schreiben können. Schon als ich noch Filmjournalist war, hatte ich immer mal Lust, etwas darüber zu schreiben, ein bisschen aus dem Nähkästchen zu plaudern und von der Presseseite der Filmwelt zu erzählen. Ich fand das immer sehr schillernd - und gleichermaßen schräg. Aber ich hatte nie die richtige Geschichte, und ich denke, jetzt habe ich sie gefunden. Für mich war es spannend, eine Welt zu beschreiben, die ich gut kenne und die man nicht so oft sieht. Man hat zwar eine ungefähre Vorstellung davon, wie Filmjournalismus funktioniert, wie Interviews funktionieren, aber wahrscheinlich weniger von den schrägen Charakteren, den Details und davon, wie der Laden wirklich läuft.
Was kann das Kino, was die Literatur nicht kann?
Kino ist Kommunion mit anderen Menschen. Deswegen habe ich auch bewusst vom Kino und nicht vom Film gesprochen. Film ist etwas, das man auch auf dem Handy oder auf dem Laptop schauen kann. In diesem Fall wird das Filmschauen zu einem Akt, der dem Lesen sehr ähnlich ist. Es ist privat und intim. Der Kinobesuch hingegen ist wie der Gang in die Synagoge an den hohen Feiertagen, an den Tagen des Staunens. Es ist etwas, das man gemeinsam erlebt und das – im besten Fall – Menschen gemeinsam bewegt. Beim Lesen entstehen die Figuren, die Geschichte und die ganze Welt vor dem geistigen Auge. Aber im Kino präsentiert sich die Welt vor dem echten Auge. Das finde ich wunderbar und großartig.
Der Roman ist durchzogen von allerlei Referenzen und Filmzitaten. Wenn Sie eines wählen müssten, welches ist Ihr liebstes?
„All diese Momente werden verloren sein in der Zeit, so wie Tränen im Regen." Das ist der von Schauspieler Rutger Hauer improvisierte Schlussmonolog am Ende von Blade Runner, die sogenannte Tannhäuser-Tor-Rede. Sie stand angeblich nicht in dem wunderbaren Drehbuch von Hampton Fancher, sondern wurde von Rutger Hauer am Set wohl einfach improvisiert. Das ist einer von vielen Momenten, die mich als jungen Kino-Fan wahnsinnig ergriffen haben. Und dieser Satz schwingt seither irgendwie immer in meinem Leben mit.
Wie ist Ihr Verhältnis zur Filmwelt? Welchen Eindruck haben Sie vom aktuellen Zustand der Filmbranche?
Ich liebe das Kino und habe mich in der Filmbranche immer wohlgefühlt. Aber ich erkenne auch, dass sie sehr ungesund ist. Es gibt ein Machtgefälle, das gefährlich ist – ins besondere für Frauen und viele Minoritäten. Es gibt viel Ausgrenzung und Rassismus in der Filmbranche und ziemlich viele Ressentiments und Vorurteile. Dazu eine Kultur der Selbstaufopferung, die toxisch ist. Man hat während der Arbeit an einem Film am Set immer das Gefühl, dass man etwas Großes und Wichtiges tut. Man fühlt sich wie ein Arzt, der in der Notaufnahme Leben rettet. Dieses Gefühl der Aufopferung für die Kunst wird immer wieder ausgenutzt. Es gibt Schattenseiten in dieser Filmwelt, die man nicht übersehen darf, und gleichzeitig wird etwas geschaffen, das transzendent, wundersam und magisch ist. Das ist ein großer Widerspruch, den ich für mich bis heute nicht auflösen kann.