Eine Liebeserklärung an den Bitcoin

Buchkritik: Die orange Pille von Ijoma Mangold

Text: Lydia Bißmann - 27.04.2023

Rubrik: Literatur

Literaturkritiker Ijoma Mangold hat ein Buch über den Bitcoin geschrieben. (Credit: Thorsten Wulff)

Der Literaturkritiker, Zeit-Redakteur und Autor Ijoma Mangold hat mit „Die orange Pille“ ein Buch geschrieben, das nicht nur die Geschichte und Funktion der digitalen Kryptowährung Bitcoin ansprechend erklärt.

Das 295 Seiten Werk Die orange Pille ist ein Pamphlet für Unabhängigkeit, Dezentralisierung und Kapitalismuskritik nicht nur in monetärer Hinsicht. Glühender Bitcoin Verehrer wurde der Proust-Liebhaber während der Covid-Lockdowns, wo er sich bei der Gartenarbeit in seinem brandenburgischen Domizil einen Podcast nach dem anderen angehört und dem „Neuen Geld“ endgültig verfallen ist.
(Credit: dtv)

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Bitcoin: Chance für Gerechtigkeit und Demokratie

In ansprechenden Worten, die sich lesen wie eine Blumenwiese, erklärt er in fünf Abschnitten grob alles, was man über den Bitcoin wissen muss. Immer wieder stellt er den Vergleich zu Gold her, was das Erfassen der zugegeben nicht ganz unglaubwürdigen Materie leichter macht. Wie für das Schürfen von Gold wird auch beim Bitcoin echte Energie verbraucht. Nur, dass das Bitcoin-Vermögen durch den Transparenz-Kodex leichter zu überprüfen ist als die weltweiten Goldreserven. Im zweiten Teil des Buches erklärt er die Glaubenssätze der Wegbereiter*innen des Bitcoins, der Cypherpunk-Bewegung und dass man eigentlich nur zwölf zufällig ausgewählte englische Worte zu merken braucht, um jederzeit auf sein digitales Geld zugreifen zu können. Transaktionen mit Bitcoin verzichten auf die Dienste Dritter, was es demokratisch macht. Es ist eine Möglichkeit, ohne hohe Gebühren Geld in Sekundenschnelle von einem Erdteil auf den anderen zu überweisen oder erlaubt es Menschen wie Frauen in Afghanistan, die seit dem Taliban-Regime kein Bankkonto mehr besitzen dürfen, trotzdem Transaktionen am Smartphone durchzuführen. Im Hintergrund erklärt Mangold nicht nur die Beweggründe von Bitcoin-Erfinder und Verfasser des Manifests der digitalen Währung, dem Bitcoin-Whitepaper Satoshi Nakamoto, von dem niemand weiß, wer das eigentlich ist, nicht einmal ob Mann oder Frau. Er erzählt auch, was Geld eigentlich ist und was es nicht sein sollte. Instrument für Spekulationen. Mit dem Bitcoin-Ethos könnten all die Begleiterscheinungen des Neoliberalismus wie Immobilienspekulation, die Verteilung des Reichtums von unten nach oben, das Spiel mit Deflation und Inflation und à la longue irgendwie auch die Klimakrise besiegt werden. Mangold tut das in einem begeisterten, fast schon religiös anmutenden Ton und gibt das auch freimütig zu. Nicht umsonst ist der Titel des Buches „Die orange Pille“ an Nemos Entscheidung aus dem Film Matrix, der Lieblings-Parabel aller Erkenntnistheoretiker, angelehnt. Ijoma Mangold berichtet aber auch von kritischen Stimmen, Skandalen wie dem jüngsten Zusammenbrechen der Krypto-Exchange FXT, dass sich in der Bitcoin-Community alles findet, was es an Ideologien auf der Welt gibt, seien es Kommunist*innen, Staatsverweigerer, Nerds, Tea-Party-Anhänger*innen, Veganer*innen oder Fleischfans. Fazit: Die orange Pille eignet sich als Lektüre für den Strand, den Zug, den Nacht- aber auch für den Schreibtisch. Einmal gelesen ist ein wunderbar erklärtes Einsteigerwerk für alle, die sich noch nie oder nur am Rande mit dieser nagelneuen Erfindung der digitalen Währung beschäftigt haben. Es eignet sich aber auch für ein intensiveres Studium am Schreibtisch mit dem Kryptogeld, wenn man gut begleitet ein Stück tiefer in die Materie eintauchen möchte.

Ijoma Mangold Ijoma Mangold, geboren 1971, ist Journalist, Literaturkritiker und Autor. Er war Literaturchef von ›DIE ZEIT‹, heute schreibt er für sie als kulturpolitischer Korrespondent.

Die orange Pille, Ijoma Mangold ISBN: 978-3-423-28312-0 Erscheinungsdatum: 16.03.2023 3. Auflage 256 Seiten