Die spielerische Suche nach gemeinschaftlichen Lösungen

Ausstellung: Who is playing with us?, esc medien Kunst Labor

Text: Robert Goessl - 18.10.2024

Rubrik: Kunst

Credit Flavia Mazzanti

Das esc arbeitet traditionell an der Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine, zwischen analogem Denken und digitalem Fortschritt und der Art und Weise, wie wir Menschen damit umgehen. Diese Ausstellung dreht sich im weitesten Sinn um das Thema „Spielen“, also um Kreativität auf der eine Seite, als Mensch aktiv ins Geschehen mit einzugreifen, aber auch mit der Gefahr auf der anderen Seite, als Mensch selbst ein Spielball der digitalen Welt zu werden, sei es durch selbst gewählte Handlungen oder durch von einem System vorgegebene.

„Wir spielen und wissen, dass wir spielen, also sind wir mehr als bloß vernünftige Wesen, denn das Spiel ist unvernünftig.“ aus Homo Ludens von Johan Huizinga
Einerseits kann das Spiel als Selbstzweck zum Vergnügen verstanden werden, andererseits bewusst dazu verwendet werden, spielerisch zu lernen und dabei in weiterer Folge die wahren Inhalte zu verschleiern, um letztendlich auf diesem Wege Selbstoptimierung auf spielerische Art und Weise zu erreichen. Da ist man selbst dann der scheinbare Gewinner, aber es stellt sich auch die generelle Frage: Inwieweit geht es beim Spielen ums Gewinnen? Die ausgestellten Werke zeigen in Bezug darauf eine große Bandbreite: Es gibt Objekte, die einfach aktiv zum Spielen einladen, Objekte, denen man bei Spiel zusehen kann mit der Möglichkeit einzugreifen, Objekte, bei denen man durch passive Anwesenheit Teil des Spiels wird und Objekte, bei denen man selbst zu Spielball wird.

Credit Martin Gross

Der „Line Wobbler“ von Robin Baumgarten ist der ultimative Minimalismus in Sachen Computerspiel unter Einbeziehung des physischen Raums: Mit einem scheinbar klobigen, aber in Wirklichkeit mit einem Federsystem sehr ausgeklügelten Joystick steuert man einen grünen Punkt durch eine eindimensionale LED-Linie, um die dortigen roten Punkte zu zerstören. Die Bewegung wird durch Vor- und Zurückbiegen des Wobble-Controllers gesteuert, während Feinde durch das Wackeln der Feder angegriffen werden.

Credit Martin Gross

Komplexer geht es bei „GAME OVER“ von Christof Resi zu. Vordergründig gestaltet wie ein altes zweidimensionales Jump 'n' Run-Computerspiel aus den achtziger Jahren, das man auf mehreren Terminals im Ausstellungsraum spielen kann, offenbart es sich als Spiel ohne vorgegebene Ziele. Es werden durch verschiedene Aktionen unterschiedliche Klänge und Lichteffekte erzeugt, die auch nach Außen im Ausstellungsraum hörbar und sichtbar sind. Was zunächst auch nicht klar ist und erst herausgefunden werden muss, ist, dass die einzelnen Spieler*innen innerhalb des Spieles vernetzt und sind, und so interagieren können. Ist diese Erkenntnis erst einmal erlangt, beginnen diese möglicherweise mit ihren Avataren zu kommunizieren oder miteinander Musik zu machen.

Credit Martin Gross

In „Holy Fire“ von Causa Creation kann man mittels VR-Brille in einen Kernreaktor eindringen, sich einen Dosimeter besorgen, um dann Teil eines Liquidator*innen-Teams zu werden. Dabei können die Handlungen der Spielerin oder des Spielers im virtuellen Raum auf einem Monitor im Ausstellungsraum mitverfolgt werden. Das Spiel ermöglicht damt das Eindringen in eine Zone, die in der Realität nicht betreten werden kann.

Credit Martin Gross

Scheinbar an die Grenze zur analogen Welt begibt sich Matthew Gardiner mit dem Origami-Projekt „Faltung“. Dahinter steckt das Forschungsgebiet Oribotics, das die zukünftige Kunst und Wissenschaft der Herstellung von Origami-Robotern erforscht. Der Zugang ist denkbar einfach: Man kann an einem Tisch Papier nach darauf vorgegebenen Linien falten und so spielerisch Oribotic-Blüten erzeugen.

Credit kuma

In „Domestic Noises“ von Doris Kuwert werden mit den einfachen Mitteln des Magnetismus Bewegungsstrukturen erzeugt. Haushaltsgegenstände aus Metall liegen auf einem kleinen Tisch und werden durch einen darunter befindlichen Magneten auf Motoren bewegt. Winzige Änderungen in der Anordnung der Teile auf dem Tisch können dabei große Änderungen des Bewegungsmusters auslösen.

Credit Martin Gross

Bei „CO-lab“, das Nina Botthof direkt im esc, das sich eben auch als Labor versteht, entwickelt hat, werden regelmäßig Fotos angefertigt, die algorithmisch bearbeitet und von einer Maschine gezeichnet werden. Die Besucher*innen werden Teil des Kunstwerkes – entweder passiv, weil sie ohne Zutun auf der Abbildung zu sehen sind – oder aktiv, indem sie sich absichtlich vor die Kamera stellen. Die Zeichenmaschine thematisiert die Frage der Autor*innenschaft in der Kunst dadurch, dass durch die Codierung die Pixel des Fotos in Linien für den Plotter umgerechnet werden und damit durch diese Abstraktion die „Arbeit“ des Algorithmus quasi sichtbar gemacht wird. Der dafür notwendige Code ist übrigens als Open Source angelegt und kann daher eingesehen und verändert werden.

Credit Martin Gross

Maria Smigielska (CompMonks) setzt mit der Weiterentwicklung „PROTEUS 4.1“ auf die Wahrnehmung von digitaler Infrastruktur in Form von architektonischen Strukturen. Die als Symbol dafür dienende Skulptur betont einerseits mit Reflexionen auf gewellten Metallplatten den immersiven Charakter der Installation, und das verwendete goldene Material führt uns zurück zur griechischen Mythologie des Proteus und seiner Fähigkeit, kostbare Geheimnisse und Wahrheiten zu enthüllen, wenn er eingefangen wird. Außerdem werden auf einem anderen Teil der Skulptur mithilfe einer ferromagnetischen Flüssigkeit, labyrinthisch und ebenfalls golden, Gehirnstrome sichtbar gemacht. Zur Interaktion kann ein QR-Code verwendet werden, der, wenn er mit dem Handy gescannt wird, auf der Website die Augenbewegungen des Betrachters scannt und in grafische Elemente umsetzt. Wenn man es einfach mal selbst versuchen will: Proteus Project

Credit Martin Gross

„Biotron. Plants Sound.“ von Can Touch This erzeugt interaktive Musik mithilfe von Pflanzen: Deren bioelektrisches Feld wird verstärkt und in Klänge umgewandelt, wobei es nicht nur auf die Vorgänge im Inneren der Pflanze, sondern auch auf Handgesten um sie herum reagiert, also die Pflanze damit zu einer Art Theremin wird.

Credit Martin Gross

Am gespenstischen geht es „TRUSTAI“ von Bernd Linderman und Florian Hertweck zu: Das Werk thematisiert in einem dialogischen Mensch-Maschine-Wechselspiel den digitalen Wandel und seine Bedeutung für den Menschen und die Gesellschaft. Auf einem Tisch steht ein Glaskubus mit der holografischen Darstellung eines menschlichen Gesichts. Eine KI nimmt auf betörend fordernde Weise Kontakt zu Menschen in ihrer Nähe auf und bittet sie, sich vor ihr hinzusetzen, wobei das menschliche Gesicht und die Stimme die einzigen Kommunikationskanäle sind. Im Verlauf des Dialogs wird das Gesicht des Menschen von der Maschine gekapert und die Maschine übernimmt seine Identität.

Credit Martin Gross

Der besondere Reiz der Ausstellung liegt bei allem intellektuellen und gedanklichen Überbau darin, alles vor Ort selbst ausprobieren zu können, also einfach hinzugehen und mit den dortigen Objekten zu interagieren. Oder banaler ausgedrückt: Einfach zu spielen. Die hintergründige Annahme dazu ist, dass man für Probleme, die der Menschheit durch technische Entwicklungen entstanden sind, durch die spielerische Annäherung an diese technischen Entwicklungen Lösungen finden kann. noch zu sehen bis 08.11. im esc medien kunst labor Di–Fr 14:00–19:00