Dauerausstellung, Museum für Geschichte

Ausstellung: Warum? Der Nationalsozialismus in der Steiermark

Text: Lydia Bißmann - 25.11.2022

Rubrik: Museum

Credit: UMJ J.J. Kucek

Im Museum für Geschichte gibt es seit Ende November 2022 mit „Warum? Der Nationalsozialismus in der Steiermark“ eine neue Dauerausstellung, die sich vordergründig an junge Menschen zwischen 13 und 18 Jahren wendet. Eine recht smarte Zielgruppe, die man auf keinen Fall unterschätzen sollte. Das tut das Team rund um Heimo Halbrainer, Gerald Lamprecht, Christian Heuer, Bettina Habsburg-Lothringen auch nicht.

Betritt man die Ausstellung im ersten Stock im Museum in der Sackstraße das erste Mal, bekommt man fast einen kleinen Schock. Es ist auf den ersten Blick unordentlich und sieht nach sehr viel Text und trockener Information aus. An schlichten Tischen mit Stühlen gibt es Kästen mit Repliken von Originaldokumenten, persönlichen Briefen, amtlichen Mitteilungen, Tonaufnahmen, Fotos und Zeitungsausschnitten. Statt ansprechend gestalteten Bildern, statt Artefakten unter einem Glassturz, die man nicht anfassen darf, von denen man sich angenehm berieseln lassen kann, dürfen und müssen die Besucher*innen hier selbst Hand und Hirn anlegen. Mit Absicht: Das Museum für Geschichte schlägt mit der Ausstellung moderne, didaktische Wege ein und verwandelt sich hier in eine „Geschichtswerkstatt“.

Credit: Lydia Bißmann

Chimäre Volksgemeinschaft

Anhand von 15 verschiedene Begriffe wie Glaube, Jugend, Lager, Widerstand, Konsum oder Körper wird sich der Frage angenähert, wie es zur Diktatur kommen konnte. Wie sich dieses politische System so lange halten konnte, obwohl es so viel Leid, Tod, Terror und Verderben mit sich gebracht hat. Die Schau zeigt, welche Maßnahmen, Verlockungen und Versprechungen vonseiten des Regimes gemacht wurden, um die Bevölkerung zu überzeugen, die bestehenden Verhältnisse in eine Volksgemeinschaft umzubauen. Diese Verlockung versprach alte Eliten abzubauen, hierarchische Systeme aufzubrechen, stellte aber gleichzeitig neue her, in dem sie Menschen von vornherein exkludierte und als minderwertig ansah, die nicht zu diesem System gehören konnten oder wollten. Die Ausstellung zeigt aber auch, wie die steirische Bevölkerung den Nationalsozialismus unterstützte, von diesem profitierte und sich in unterschiedlichen Lebensbereichen auf ihn einließ. Dabei wird immer ein Bezug zur Steiermark hergestellt, der sich auch in der Gegenwart abspielen kann. Die Diskussion rund um die Problematik von Straßen, die nach Nazi-Größen oder deren Sympathisanten benannt sind, wird ebenso aufgenommen, wie die Kunstaktion des steirischen herbst von Hans Haake „Und ihr habt doch gesiegt (1989)“ am eisernen Tor, die einem Brandattentat zum Opfer fiel.

Credit: Lydia Bißmann

Aktiver Zugang zu Geschichte

Man will so faktisch wie möglich die Arbeit von Historiker*innen abbilden und einen Anstoß zum aktiven und selbstständigen Mitforschen geben. „Auch die museale Vermittlung der NS-Zeit hat mittlerweile eine Geschichte. Mit unserem Projekt setzen wir einen zukunftsweisenden Schritt. Ein vergleichbares Angebot gibt es bislang an keinem anderen österreichischen Museum“, so Kuratorin und Leiterin des Museums für Geschichte Bettina Habsburg-Lothringen. Die Besucher*innen sollen jeder für sich eine eigene Ordnung in die scheinbare Unordnung bringen. Im Recherchieren und Diskutieren gewonnener Eindrücke, im Entwickeln und Formulieren eigener Einschätzungen sollen die Besucher*innen auch mitnehmen, wie Forschung heute passiert und Wissen um die Vergangenheit entsteht. Für Schulgruppen gibt es ein eigenes Vermittlungsformat, Schüler*innen können hier auch Informationen für Hausarbeiten oder Vorwissenschaftliche Arbeiten erhalten. Der einfache und barrierefreie Zugang, was Vorwissen und Vorbildung anbelangt, macht die Ausstellung aber auch für Erwachsene enorm spannend. Eine Kooperation des Museums für Geschichte mit dem Centrum für Jüdische Studien der Karl-Franzens-Universität Graz, dem Arbeitsbereich Geschichtsdidaktik am Institut für Geschichte der Karl-Franzens-Universität Graz sowie dem Geschichts- und Bildungsverein CLIO.

Credit: Eugen Hauber, 1938, Multimediale Sammlungen/UMJ

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Credit: UMJ J.J. Kucek

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Christian Heuer (Geschichtsdidaktik, Institut für Geschichte, Uni Graz), Heimo Halbrainer (Geschichts- und Bildungsverein CLIO), Bettina Habsburg-Lothringen (Leiterin Museum für Geschichte), Wolfgang Muchitsch (wissenschaft. Direktor UMJ),

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