Ein Fließen zwischen Identitäten und Leben und Tod

Ausstellung: M. Butterfly Vol.2: Death Proof, esc medien kunst labor

Text: Robert Goessl - 02.12.2024

Rubrik: Kunst

Credit M. Gross

Die Arbeit von Kim Hankyul (KOR) im esc medien kunst labor versteht sich als Fortsetzung von M. Butterfly, das 2020 konzipiert und 2022 im KRAFT Bergen (Norwegen) als kinetische Theaterinstallation zum ersten Mal präsentiert wurde.

Hierzulande ist vor allem der Stoff der Madama Butterfly aus der berühmten gleichnamigen Puccini-Oper bekannt, in dem aus heutiger Perspektive die koloniale Sicht auf den Orient, die Verführungskraft des westlichen Mannes mitsamt seiner Überlegenheit romantisiert wird mit tragischem Ende für die unterwürfige orientalische Frau. Die Idee der Arbeit beruht aber auf dem Theaterstück "M. Butterfly" von David Henry Hwang von 1988, das mit dieser Tradition bricht, und in dem die Liebe zu einer Person zu einer Liebe in ein Stereotyp verwandelt wird. Denn die Rolle der orientalischen Frau wird im Stück, wie in der Peking-Oper üblich, von einem Mann gespielt. Damit werden nicht nur die Geschlechterverhältnisse relativiert, es wird auch der abendländische Mensch zum unterwürfigen, leicht zu fangenden Schmetterling, der letztendlich zerstört wird.
Ausstellung: M. Butterfly Vol.2: Death Proof, esc medien kunst labor

Credit M. Gross

Eine Maschine im ständigen Sterben

Das Hauptobjekt selbst wurde von dem Künstler vor Ort entwickelt, wobei eine fortwährende Reduktion der Produktionsphase stattfand. Bewusst gefertigt aus billigen Elementen wie Haartrocknern, Metallgestängen und Ventilatoren, liegt es im Raum – ein vordergründig mechanisches, archaisches Flickwerk, als wäre es einem dystopischen, postapokalyptischen Film entnommen. Es repräsentiert einen Körper, der zufällig regelmäßig in Bewegung gerät, als ob sich sein Ende, sein Tod als immerwährend wiederkehrender Moment, als ein letztes explosionsartiges Zucken ständig wiederholt. Die Bewegungen im Luftstrom der Harrtrockner und Ventilatoren werden in tiefes rotes Licht gehüllt, zugleich verstörend und bedrohlich, jedoch in der Offenheit, in der alles bis in kleinste Detail sichtbar ist, anziehend. Der Moment, in dem sich das Objekt in Bewegung setzt, lässt immer wieder aufschrecken, weil er von einer lauten Geräuschkulisse aus Druckluft und Haartrocknern begleitet wird, die den hypnotischen ständigen Hintergrundklang übertönt.

Credit M. Gross

Etwas ist immer da

Dieser ständige Raumklang wird über KI erzeugt, die die Sequenz der durch Motoren ausgelösten Vibration des vorderen Fensterbereichs in eine zufällige Sequenzierung bringt. Diese bringen als direktes Klangereignis den Raum zum Schwingen und erzeugt so ein Geräusch, ein Surren und Brummen ohne Harmonie, das den Raum erfüllt und das Gefühl erzeugt, dass etwas ständig sich veränderndes Unsichtbares anwesend ist.

Credit M. Gross

Der flüchtige Wandel von Körpern

Das „Körperobjekt“ ist umgeben von KI-generierten Videos von anthropomorphen Körpern, deren Auflösung sich ändert. Dabei wurden bei der Generierung Textvorgaben wie „Orient“, „Asien“, „westlicher Blick“ und „Transvestit“ verwendet. Entsprechend klischeehaft erscheinen sie weichgezeichnet, wandeln aber zwischen Zärtlichkeit und blutiger Realität, als Abbild eines unbestimmten Subjekts, das viele Identitäten in sich vereinigt, aber keine davon in seinem Kampf einnimmt oder vereinnahmt. Die Entscheidung zwischen männlich und weiblich und „Osten“ und „Westen“ wird dabei bewusst aus der menschlichen Hand gegeben, um so den von der Herkunft abhängigen kulturellen Blick von außen auszublenden. Die Langsamkeit, in der sich die Änderungen vollziehen, und die schöne, wenn auch grausame Ästhetik eines perfekt gezeichneten Körpers stellen einen Kontrapunkt zum mechanischen Objekt dar, auch wenn sich diese Vollkommenheit immer wieder durch den Wechsel auf eine geringere Auflösung selbst hinterfragt. Einer der Bildschirme ist auch als Schaufensterinstallation nach außen geneigt und daher ständig auch abseits der Öffnungszeiten sichtbar.

Credit M. Gross

Der Raum des esc medien kunst labors wird von diesem sich wiederholenden Schauspiel beherrscht, er stellt eine Bühne dar, die nicht nur ohne Menschen auskommt, sondern deren Abläufe auch über KI gesteuert werden. Es ist ein Fließen, das Unbehagen erzeugt, vielleicht auch deswegen, weil es keiner Kontrolle unterliegt, aber Möglichkeiten auslotet, den durch menschliche Kategorien eingeschränkten Blick zu sprengen und damit einen flüchtigen Zustand zu erzeugen.

Credit M. Gross

esc medien kunst labor Dauer der Ausstellung: 22.11.2024 – 17.01.2025 Öffnungstage: 22.11. – 13.12.2024 und 14.1. – 17.1.2025 Öffnungszeiten: Di – Fr, 14 – 19 Uhr und nach Vereinbarung Midissage: Freitag, 13.12.2024, 18 Uhr, Jahresausklang ab 20 Uhr Schaufensterinstallation: 14.12.2024 – 13.1.2025 Art’s Birthday & Finissage: 17.1.2025, 19 – 23 Uhr, live auf Radio Helsinki aus dem esc medien kunst labor Mit Kim Hankyul und Gästen, Kooperation: Radio Helsinki