Von den Sternen und der Rauheit

ARTfaces: Monique Fessl

Text: Lydia Bißmann - 29.11.2022

Rubrik: Kulturland Steiermark

Monique Fessl in Belgrad. (Credit: K.K.)

„Nach dem Studium habe ich verstanden, wie die Welt funktioniert, woher alles kommt. (Monique lacht) Dann wollte ich etwas anderes tun.” Die Musikerin, Sängerin, Performance Artist und bildende Künstlerin Monique Fessl hat Astrophysik studiert – die Mutter aller Naturwissenschaften –, bevor sie sich für die Kunst entschieden hat. „Ich lebe für die Musik, es ist das, was ich machen will.“

Aufgewachsen im Mürztal, hat Monique Fessl Instrumente wie Steirische Ziehharmonika, Akkordeon, Klavier, Gitarre, Schlagzeug, Harmonium erlernt, immer gesungen und schon früh damit begonnen, eigene Kompositionen zu schreiben. Um die Jahrtausendwende folgte eine Veröffentlichung mit der Band „Back to Godhead" im Indie-Genre. Bei einem von FM4 ausgeschriebenen Skype-Wettbewerb gab es dafür in Österreich Platz eins und europaweit Platz zwei. „Das war mein erster Hit, ich habe ihn am Dachboden meiner Eltern geschrieben, das war alles sehr aufregend." Mit der Synthie-Pop-Band Nimai gab es 2003 eine Nominierung zum Amadeus Award, Fessl spielte dabei im Trio mit Nils Nordmann und Gregor Hennig, einem deutschen Musiker und Produzenten. „Wir sind viel herumgetourt und haben auch richtig viel CDs verkauft. Das geht ja heute nicht mehr, obwohl mir damals ein Euro pro Tonträger wenig vorgekommen ist." Seit 2006 arbeitet Monique Fessl solo. Sie komponiert und produziert elektronische Musik, wird als DJ und für Live-Sets engagiert, wo sie zu ihren technoiden Tracks auch singt und performt. Das Singen hat sie unter anderem in indischen Tempeln gelernt. Ein Jahr verbrachte sie in einem Hare-Krishna-Tempel, insgesamt zehn Jahre verfolgte sie ein strenges Programm mit Abstinenz und täglich zwei Stunden Meditieren.

Monique Fessl, Shanghai 2015 (Credit: Monique Fessl)

Kooperationen und Werkzeuge

Solo heißt aber keineswegs allein. Es folgten Kooperationen mit Binder&Krieglstein, Favela Gold, Clara Luzia und der Theremin-Virtuosin Dorit Chrysler, mit der sie 2015 eine Ausstellungseröffnung in Shanghai musikalisch begleitete. Zunehmend spielte auch die bildende Kunst in Fessls Schaffen eine Rolle. Bei ihrem Projekt „Mind Gap" (2015) stellten Plakatwand-große Fotos, Spiegel und transparente Platten die Sehgewohnheiten der Passanten im Stadtraum von Graz auf die Probe. Beim Neubau des LKH Villach gewann sie 2018 gemeinsam mit Bernhard Wolf den offenen Wettbewerb für Kunst am Bau. „Mit dem zweiten Studium, nämlich Media- und Interaction Design an der FH Joanneum, hatte ich ein weiteres Werkzeug in der Hand für die Kunst: die Grafik." Monique Fessl gestaltete Kunstkataloge, Publikationen für die Caritas und Websites für Freunde. „Mit der Zeit ist die Kunst und Musik wieder wichtiger geworden und die Grafik weniger. 2022 waren zum Beispiel 95 Prozent meine Projekte Kunst- und Musikprojekte und keine Grafikjobs."

Credit: K.K.

Auslands-Atelierstipendium 2022

Gemeinsam mit dem Visual-Kollektiv OchoReSotto steuerte sie im Herbst 2022 die Musik für den Programmpunkt „Orchstar of Light" beim Grazer Klanglichtfestival bei. Mit Marta Navaridas entstand im Frühling ein Projekt, das Monique Fessl Herangehensweise ebenfalls gut zusammenfasst: Beim Atelier-Auslandsstipendium des Landes Steiermark in Belgrad befragten die beiden Menschen auf der Straße nach ihren Wünschen und zauberten daraus die Performance „Because Of A Wish". Sie wurde im Oktober 2022 im Kunstverein uraufgeführt; die gezeichneten Umsetzungen sind im Rahmen der „Kunstraum Steiermark"-Ausstellung von Dezember 2022 bis November 2023 in der Neuen Galerie des Universalmuseums Joanneum zu sehen. Die Arbeit „Because of a Wish" fußt auf soziologischen Erkenntnissen des „Pleasure Acitvism", zu dem Adrienne Maree Brown mit dem Buch „The Politics of Feeling Good" (2019) ein richtungsweisendes Werk geschrieben hat. Was braucht der Mensch, um sich gut zu fühlen und traut man sich das auch wirklich zu wünschen? - Für Monique Fessl wäre ein Wunschbereich, in den sie sich künftig gerne vertiefen würde, die Filmmusik. Hierzu gibt es schon Ideen und Gespräche.

Credit: Valentina Morianz

Prickeln mit Tiefgang

Mit Marta Navaridas tritt Fessl auch musikalisch in Erscheinung: Als Duo MOET bespielen sie Eröffnungen, Vernissagen, Verleihungen und Clubs; machen gute Stimmung mit fein produzierten Sets und Songs, die mit viel Engagement und Stimme bei der Live-Performance aufgepeppt werden. Es ist die Mischung aus melodiöser Stimme, schnellen Beats, zartem Gefühl und fettem Bass, Disco und Tiefgang, die den Auftritten ihren Charme verleiht. Namensgeber für die Formation war tatsächlich die bekannte Champagnermarke, eine Hommage an das Kennenlernen der beiden, die auf einer Feier beschlossen hatten, ein Duo zu gründen. Und er passt: Es prickelt, macht Spaß, verklebt aber die Sinne nicht und lässt viel Luft zum Denken und Atmen, während man einfach abtanzen kann. Monique Fessl bewegt sich in einer Nische zwischen Mainstream und Nerd-Musik. Sie weiß genau, was sie will und wie sie dort hinkommt. Stillstand gibt es nicht. „Ich will neue Musik unter die Leute bringen und nicht zuletzt mir selbst näher bringen. Früher bin ich so dahin ‘gebrettert', habe versucht, in einem Genre einen schönen Spannungsbogen zu bedienen. Jetzt komme ich immer dazu, die Genres und Geschwindigkeiten untereinander zu mixen. Das ist super spannend, aber auch eine große Herausforderung."

Das Raue im Schönen

Musik ist eine der unmittelbarsten und innigsten, aber auch der niederschwelligen Kunstformen. Man kann seine Ohren nicht schließen, ohne dabei die Hände zu benutzen. Musik kann in allen Lebenslagen konsumiert werden. In einer Zeit, in der das Internet scheinbar alle Wünsche auf einen Tastenklick zu erfüllen verspricht, wird oft vergessen, wie viel Arbeit und Engagement dahintersteckt und stecken muss. Beim Komponieren, in der Produktion und nicht zu vergessen beim Vermarkten. Ihre Arbeiten haben viel Sparkle und verstrahlen Licht und Wärme dort, wo Menschen zusammenkommen. Wer die Sterne versteht wie die Grazer Künstlerin, weiß aber eben, dass das, was oft funkelt, durchaus auch raue Seiten haben kann. ARTfaces ist die Online-Künstler*innen-Porträt-Reihe des Landes Steiermark.