Tanzfilm Festival mit Wettbewerb im Kunsthaus

Nachgefragt: Valentina Moar, Dance On Screen Film Festival

Text: Sigrun Karre - 04.11.2024

Rubrik: Film und Kino
Valentina Moar

Valentina Moar kuratiert das erste und einzige Tanzfilm-Festival Österreichs, das Dance On Screen Film Festival. (Credit: Nikola Milatovic)

2016 hast du das Dance On Screen Festival ins Leben gerufen, das erste und bisher einzige Tanzfilm-Festival in Österreich. Was war der ausschlaggebende Impuls für deine Initiative, und was fasziniert dich als Tänzerin und Choreografin an der Verbindung von Tanz und Film?

Einige Jahre zuvor hatte ich selbst zwei Tanzfilme gedreht, einen auf dem damals noch verlassenen und verwahrlosten Gelände der ehemaligen Reininghaus-Brauerei, und der andere war ein Dokumentar-Tanzfilm an verschiedenen Orten in Graz und in Interaktion mit „Passanten“. Als ich die Filme präsentieren wollte, stellte ich mir die Frage: Warum präsentiere ich nicht auch Werke anderer Künstler, anstatt nur meine eigenen Filme zu zeigen? Und so entstand das Festival. Ich interessiere mich für die Verbindung zwischen dem performativen Akt des Tanzes und der audiovisuellen Sprache, eine Verbindung, die notwendigerweise eine wechselseitige Beziehung schafft; ich interessiere mich für die Herausforderung des wortlosen Erzählens, ich bin sehr zuversichtlich, was die Kraft eines tanzenden Körpers angeht, der keine Worte braucht, um sich auszudrücken, und dessen Stärke auch auf der Leinwand transportiert werden kann. Ich interessiere mich dafür, wie Filmemacher und/oder Choreografin den „Weg des Screendance“ auf einzigartige und persönliche Weise löst; und als Choreografin interessiert mich die Kreation von Tanz, der nur durch das Medium Film funktioniert und genau dafür konzeptioniert ist.

Vom 8. bis 10. November 2024 steht das Kunsthaus Graz wieder ganz im Zeichen des Tanzfilms. 48 internationale Beiträge werden gezeigt. Nach welchen Kriterien triffst du als Kuratorin deine Auswahl, und was können die Besucher:innen in diesem Jahr erwarten?

Die Intention meiner Kuratierung ist es, die Vielfalt des Screendance und seine ständige Entwicklung zu zeigen sowie den Tanzfilm in all seinen Erscheinungsformen zu präsentieren. Als roter Faden der Programmgestaltung erwies sich im Nachhinein die kritische und poetische Reflexion als verkörperte Resonanz auf aktuelle Fragen unserer Existenz, als einzelne Menschen, als Gesellschaft, und in Verbindung mit unserer Umwelt. Die Kriterien für die Vorauswahl sind die choreografische und tänzerische Qualität, die audiovisuelle Qualität sowie die Verbindung zwischen Kamera und Tänzern. Wir haben aus den 394 internationalen Einreichungen 48 Tanzfilme ausgewählt. Die Themenblöcke sind:  Filmbeiträge im Rahmen unseres Wettbewerbs, die „International Competition“ mit dem Titel DanceFilm Poets, Tanzfilme aus Österreich und Tanzfilme von Student:innen (die den Filmen der internationalen Sektion in nichts nachstehen!)

Filmstill aus Blind Dreamers. (Credit: David Masson).

Filmstill aus Blind Dreamers. (Credit: David Masson).

Richtet sich das Programm an Cineasten, Tanzliebhaber oder eine Schnittmenge beider Gruppen? Wie definierst du das Zielpublikum des Festivals?

Das Festival richtet sich an zweierlei Personengruppen: Natürlich richtet es sich an Tanz- und Filmfans - viele der Besucher:innen haben selbst einen persönlichen Bezug zu Tanz oder Performance oder zu Filmproduktion. Wir sind aber keinesfalls ein Festival, das ausschließlich Experten als Zielgruppe hat. Es soll auch Leute ansprechen, die mal ganz etwas Neues sehen wollen. Viele Besucher:innen kommen rein aus Neugierde beim Festival vorbei, um zu sehen, was das Genre Tanzfilm eigentlich ist. Und zu unserer großen Freude sagen sie dann "so etwas hätte ich mir nicht vorstellen können" und kommen im nächsten Jahr wieder. Ich definiere das Festival-Zielpublikum so: Menschen, die sich nach Fantasie sehnen und ihre Imagination mit etwas Außergewöhnlichem anregen wollen!

Das Medium Film befindet sich dank Digitalisierung und technischem Fortschritt in einem starken Wandel. Inwiefern beeinflussen diese Entwicklungen konkret die Ästhetik und Machart des Tanzfilms?

Die Digitalisierung erweist sich für den Tanzfilm als außerordentlicher Vorteil! Die Kameras werden immer kleiner, portabler, handhabbarer und besser zu bedienen. Das ermöglicht einen viel leichteren Einstieg für all jene, die ausgehend von der Bühnenwelt sich im Tanzfilm versuchen möchten. Und im Bereich professioneller Kameraführung ermöglichen Technologien wie der Gimbal, Stabilisatoren, Miniaturkameras oder Drohen ganz neue Perspektiven – und was mich besonders interessiert - eine verstärkte Interaktion von Kameraleuten mit den Tänzern – die Kamera wird also zu einem Partner, statt eines Beobachters. Auch in der Postproduktion ergab sich in den letzten Jahren mit Greenscreens, Tracking oder virtuellen Welten ein riesiges Feld an Möglichkeiten für kreativen Ausdruck für den Tanz. Einige unserer Partnerfestivals widmen sich auch immer mehr AR, VR und XR. Ich sehe all diese Entwicklungen sehr positiv, denn ich bin überzeugt, dass ein kreativer Umgang mit diesen Technologien uns auch helfen kann, in der Vorstellung und Umsetzung von positiven Dingen mittels neuen Technologien, statt einer möglichen Körperfeindlichkeit, die oft im Raum von Diskussionen steht. Ich glaube, dass Künstler in Zukunft eine sehr starke Rolle spielen werden, wie Technologien wahrgenommen werden.
Filmstill: If I were You. (Credit: Margot Gelber)

Filmstill: If I were You. (Credit: Margot Gelber)

Auch in diesem Jahr wird der Dance On Screen Award in mehreren Kategorien verliehen. Warum ist ein eigener Preis für den Tanzfilm wichtig, und welche Bedeutung hat dieser Wettbewerb im Rahmen des Festivals?

Festivals wie Dance On Screen sind sehr wichtige Plattformen für Tanzfilme, die neue und auch experimentelle Perspektiven einnehmen. Die Festivals sind ein Ort für Filme, die beispielsweise nicht in eine kommerzielle Filmszene passen oder diese erreichen, weil es keine Tanzfilm-Lobby gibt. Ich persönlich bin davon überzeugt, dass es ein allmählich wachsendes Bewusstsein darüber gibt, was das „Tanz-Kino“ beziehungsweise Choreografie auf der Leinwand sein und leisten kann und welchen Platz es in der Branche und in der Welt insgesamt einnehmen könnte. Zum Beispiel im Film Poor Things, in dem die Körpersprache der Hauptdarstellerin den Film so sehr prägt und charakterisiert, dass die Choreografin Constanza Macras in aller Munde ist. Awards bedeuten Sichtbarkeit und sind für Filmemacher wichtig: Einerseits wird ein Film, der einen Preis erhält, im Kreis der Festivalwelt besser sichtbar. Andererseits hilft es den Filmemachern, weitere Fördermittel für ihre nächsten Projekte von Institutionen zu erhalten. Für uns als Festival ist dieser Moment wichtig, weil er eine Diskussion und einen kritischen Diskurs im Publikum auslöst, der auch außerhalb des Vorführraums weitergeführt wird: Was ist ein guter Film, was ist ein Tanzfilm, was beeindruckt mich, was bewegt mich, was für eine Geschichte habe ich da gelesen … und auf welche Filme einigt sich eine Jury aus Experten aus drei verschiedenen Fachrichtungen, in unserem Fall Filmproduktion, Choreografie und Kuratierung. Auf unserem Festival werden 4 Preise vergeben (wir würden diese gerne erhöhen, Sponsoren sind herzlich willkommen!): Bester Film, Beste Choreografie für Film, Bester Student-Film und der Publikumspreis.

 

Filmstill: Carried in Silence (Credit: Vilma Tihilae)

Filmstill: Carried in Silence (Credit: Vilma Tihilae)

Gibt es Pläne für die Zukunft, das Festival weiter auszubauen oder neue Formate einzuführen?

Im nächsten Jahr feiern wir unser 10-jähriges Jubiläum und natürlich würden wir an diesem Punkt gerne neue Impulse für die Zukunft setzen. Bisher fokussieren wir uns auf Kurzfilme unter einer Dauer von 25 Minuten. Es gibt aber auch großartige Langfilme und etablierte Filmemacher:innen, deren Filme wir gerne in Form eines Porträts unserem Publikum präsentieren würden. Direkt im Anschluss an unser Festival 2024 werden wir uns Zukunftsideen widmen, in der Hoffnung, unserem Publikum 2025 ein ganz besonderes Programm bieten zu können.

Dance On Screen Film Festival

8.-10. November 2024
Kunsthaus Graz, Space04

Tickets, Infos und Trailer: tickets.danceonscreen.at

Film: Aquaballet. (Credit: Marianne Aventurier)

Film: Aquaballet. (Credit: Marianne Aventurier)