Sich selbst (er)finden mit einem Stück von Georg Schütky

Kritik: Undine Undone, Next Liberty

Text: Sigrun Karre - 29.04.2025

Rubrik: Theater
Kritik: Undine Undone, Next Liberty

Fotocredit: reziprok/Roland Renner

Junge Künstler:innen bringen Musik und Spiel die Bühne: Das ‚Undine-Orchester erzählt in einer gemeinsamen Musiktheater-Performance von Sehnsucht, Sommer und inneren Landschaften. Entstanden ist das Stück ab 12 Jahren in kollektiver Arbeit unter der Regie von Georg Schüttky – zu sehen und zu hören im Grazer Kinder- und Jugendtheater Next Liberty bis 3. Juni.

Ein Hauch Salz liegt in der Luft an diesem 25. April im Grazer Next Liberty. Es ist die Premiere von Undine Undone – ein Musiktheaterprojekt in Zusammenarbeit mit der Kunstuniversität Graz, das man so nicht alle Tage zu sehen bekommt: elf hochbegabte junge Musiker:innen zwischen 12 und 20 Jahren betreten erstmals nicht nur mit Instrument, sondern auch als Performer:innen die Bühne. Unter der Regie von Georg Schütky, der bereits mehrfach eindrucksvoll mit Laiendarsteller:innen gearbeitet hat, musikalisch geleitet von Johannes Oppel erzählen sie gemeinsam eine Geschichte, die viel mehr über ihre eigene Innenwelt verrät als über eine mythologische Wasserfrau.

Der Text entstand partizipativ im Zusammenspiel mit dem Ensemble, unterstützt von Dramaturgin Dagmar Stehring. Die Bühne – gestaltet von Lena Elsa Chalupka und Georg Schütky – ist ein Zwischenraum, in dem alles möglich ist und nichts definiert. Roland Renner (Videos/Projektionen) und Andreas Grininger (Live-Kamera/Keying/Video-Mapping) schaffen für dieses Setting eindrucksvoll-uneindeutige Bildwelten, die sich zwischen flirrenden Wasserreflexen und digitalen Verzerrungen bewegen. Mal öffnet sich die Bühne scheinbar ins endlose Grün oder Blau, mal entstehen durch scherenschnittartige Schattenspiele neue Figuren und Räume. Besonders intensiv wird es, wenn Live-Kamera und Mapping ineinandergreifen und so das Innenleben der Darsteller:innen unmittelbar auf der Leinwand sichtbar machen. Wieland Lemkes Kostüme erzählen ihr eigenes Märchen: teils schlicht und naturfarben, teils opulent schillernd und knallfarben. Eine Art Dialog zwischen Vergangenheit und Zukunft, der zugleich die emotionalen Facetten zwischen Adagio und Allegro visuell widerspiegelt.

Kritik: Undine Undone, Next Liberty

Fotocredit: reziprok/Roland Renner

Zwischen Harfenklang und Headbangen

Musikalisch? Alles, was geht: Billie Eilish trifft auf Iron Maiden, Beethoven auf Arielle. Paganinis glühende Geige trifft auf eine majestätische Orgel-Toccata, elektronische Beats von DJ Meerhexe (alias Johannes Oppel) kontrastieren mit feinen Harfenklängen von Siiri Stadlbauer, die sich wie zarte Wellen durch den Abend ziehen und Momente stiller Poesie schaffen. Auch Humor und Experiment kommen nicht zu kurz, etwa wenn Peter Feyertag „I did it my Way“ auf seine Weise posaunt, nämlich im körperlichen Schwebezustand. Wer dem Klischee Glauben schenkt, Hochbegabte seien verkopft, wird hier eines Besseren belehrt.

Chaiwat Charoensak, Peter Feyertag, Lea Herold, Leonardo Iannuccelli, Severin Janak, Hana Krampl, Emilia Kreimer, Flora Ober, Annalena Santin, Theodore Servatius und Siiri Stadlbauer sind das Undine-Orchester – und zugleich das performative Herz des Abends. In Personalunion als Musiker:innen, Erzähler:innen und Performer:innen bringen sie ihre Stimmen, Instrumente und Geschichten auf die Bühne. Sie erzählen von der Sehnsucht nach Freiheit und Geborgenheit zugleich, endlosen Sommerferien, einfach Ruhe – oder einem Ort, an dem der eigene Hund wartet. Zwischen feinfühliger Klanggestaltung und rhythmusbetonter Performance entsteht ein lebendiges Geflecht. Auch eine Eigenkomposition der jungen Musikerin Flora Ober findet ihren Platz darin.

Kritik: Undine Undone, Next Liberty

Fotocredit: reziprok/Roland Renner

Mut zur Lücke

Zugegeben: Nicht alle Übergänge sind geschmeidig, nicht jede Szene trägt dramaturgisch gleich weit. Und die Undine-Geschichte selbst bleibt manchmal eher Kulisse als inhaltlicher Anker. Ein Musiktheater hätte (noch) mehr Musik, mehr Raum für das musikalische Können der jungen Ausnahmetalente erlaubt. Nur – unbeabsichtigt ist das natürlich nicht: Undine Undone ist ein Abend, der sich bewusst Lücken erlaubt, Suchbewegungen sichtbar macht und sich damit ganz dem Thema der Sehnsucht verschreibt. Die jungen Künstler:innen wagen sich weit hinaus – nicht nur musikalisch, sondern auch in ihrer Bühnenpräsenz. Der Abend lebt von ihrer Authentizität – und davon, dass Sehnsucht hier nicht als ferne Idee, sondern als gelebte Erfahrung auf die Bühne kommt.

Am Ende bleibt das Bild eines mal leisen, mal wilden Staffellaufs: Geschichten und Träume werden weitergegeben, getragen, verwandelt. Und mit ihnen die Vorstellung, dass Musik und Theater nicht nur alte Stoffe bewahren, sondern neue Räume öffnen können.

Kritik: Undine Undone, Next Liberty

Fotocredit: reziprok/Roland Renner