Feminismus auf den Stühlen

Kritik: 'Sisi rennt' von Theater Kaendace

Text: Lydia Bißmann - 05.03.2024

Rubrik: Theater

Soja Kreibich besticht in ihrer Doppelrolle als Kaiserin und überlastete Frau. (Credit: Anna Zora)

Die Produktion „Sisi rennt“ im ARTist’s unter der Regie von Aline Sarah Kunisch setzt sich in einem dynamischen Mix aus einer beeindruckenden Solo-Leistungsschau von Sonja Kreibich, den vertonten Kaiserin-Sisi-Gedichten (RAHEL) und einer Choranlage mit angeblichem und angewandtem Feminismus auseinander.

Das Stück beginnt mit der ausführlichen Platzanweisung der ätherischen Sisi-Figur (Sonja Kreibich), die sich dafür viel Zeit nimmt, aber auch streng sein kann. „Jetzt muss aber auch mal das Maul gehalten werden“, skandiert sie, nachdem alle dort sitzen, wo sie es haben möchte. Sonja Kreibich bestreitet den Abend textlich fast ausschließlich alleine und tut das auch dann meisterhaft, wenn sie aus Platzmangel auf Stühlen balancieren muss. Die sporadischen Einwürfe der Souffleuse scheinen inszeniert und verdeutlichen zum Schluss hin immer mehr, dass es sich hier um eine Schauspielerin handelt, die nach dem Ausfall der Autorin den Rest des Stückes alleine bestreiten muss. Musikalisch begleitet wird sie dabei vom Duo RAHEL (Rahel Kislinger und Raphael Krenn) und gegen Schluss hin vom Grrrls Chor, genauer gesagt einer recht reduzierten Ausgabe des Grazer Frauenchors. 

Rahel Kislinger ist gemeinsam mit Raphael Krenn RAHEL. (Credit: Anna Zorn)

Erlösung durch (antiken) Chor

Anders als die verträumt-vertrottelte Kaiserin, die am italienischen Strand nach einer Eislaufbahn sucht und untröstlich ist, weil Prinzessin sein dann halt doch auch ein Job und nicht nur ein Kindergeburtstag mit Pony ist, kann die Schauspielerin handeln und zupacken. Sie kann Kostüme waschen, Sessel stapeln und auch einen Text sprechen, wo eigentlich keiner ist. Auch sie hat sich einen Traum verwirklicht, und auch der sieht anders aus in der Realität. Weil sich ihre Stück-Autorin nach der ausgiebigen Lektüre der Sisi-Gedichte in einer gut nachvollziehbaren Arbeitsunfähigkeit befindet, muss sie improvisieren und weitermachen, da das Publikum schon auf den Stühlen sitzt. Erlöst wird ihre Figur, die auch für alle anderen Frauen mit Doppelbelastung gesehen werden kann, durch das Auftreten des Grrrls Chors. Das wirkt tröstlich und signalisiert die Botschaft: Niemand, wirklich niemand, ist gut alleine.

Sonja Kreibich (Credit: Anna Zora)

Stroh zu Gold

Aline Sarah Kunisch ist es mit „Sisi rennt“ gelungen, die Sisi-Manie, aus der es aktuell schwer ein Entkommen gibt, aufzugreifen und ihr ein (v)erträgliches Format zu verpassen. Die für die Uraufführung in Graz extra komponierte Musik verleiht den Gedichten aus dem Tagebuch der Kaiserin sogar einen Anflug von Poesie. Die sensationelle Stimme von Rahel Kislinger, die im weißen Ganzkörpersuit mit der Projektionsfläche verschmilzt, macht aus dem Stroh pures Gold und bestätigt die These, dass der Inhalt von Songtexten gänzlich egal ist. Projizierte Bilder mit weißen Pferden, Himmel, Meer und schrägen Montagen ersetzen ein Bühnenbild, für das im kuscheligen ARTist’s ohnehin zu wenig Platz gewesen wäre.

Regie, Bühne und Text: Aline Sarah Kunisch
Ausstattung: Sonja Kreibich
Komposition und Livemusik: RAHEL (Rahel Kislinger und Raphael Krenn)
Sisi: Sonja Kreibich
und
Grrrls Chor – ein Chor aus Grazer Frauenhand
Produktionsleitung: Alexander Mitterer
Lichtdesign: Nina Ortner

Der Grrrls Frauenchor als Rettung. (Credit: Anna Zora)

Credit: Anna Zora