Sieben Tage lang Gesellschaftskritik und Teilhabe

Nachgefragt: Mariella Wiedauer, Freiraumfest

Text: - 14.10.2024

Rubrik: Kulturland Steiermark

Fishbowl-Diskussion im Radio Helsinki. Credit: Maria Schneider.

Zum zweiten Mal findet dieses Jahr das Freiraumfest statt. Was ist das Besondere an diesem Festival?

Das Besondere ist einerseits, dass das Festival von Leuten, die in Freiräumen aktiv sind und sich vernetzen wollten, freiwillig organisiert wird und andererseits, dass alle Menschen in Graz dazu eingeladen sind, das Festival-Programm selbst mitzugestalten. Allen teilnehmenden Freiräumen gemein ist, dass sie sich als selbstorganisiert und nicht-kommerziell definieren, d.h. wir nutzen, erhalten und teilen Räume selbstbestimmt und dies nicht, um Gewinn daraus zu schlagen, sondern um es Menschen zu ermöglichen, sich kreativ, politisch oder künstlerisch auszudrücken.

Gibt es bestimmte Themen oder Formate, die euch besonders am Herzen liegen?

Ich glaube, das ist sehr unterschiedlich, so wie unsere Räume, ihre Ziele und Strukturen auch sehr verschieden sind. Mir ist es z.B. wichtig, dass Leute sich darin ausprobieren können, was ihnen am Herzen liegt, sie mit anderen teilen möchten oder immer schon einmal umsetzen wollten, ohne dabei ein finanzielles Risiko einzugehen oder Geld verdienen zu müssen. Anderen sind vielleicht v.a. künstlerische, ökologische oder systemkritische Veranstaltungen ein Anliegen. Viele Veranstaltungen des Freiraumfests üben Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen, ob nun inhaltlich oder in der Art und Weise wie und wo sie veranstaltet werden. Ich sehe auch das Freiraumfest an sich als Gesellschaftskritik bzw. als ein Zeichen dafür, dass es auch andere Wege abseits des Kapitalismus gibt, um unsere Welt mit unseren Mitmenschen als eine Gemeinsame zu gestalten. Auch wenn das vielleicht nicht immer die einfachsten Wege sind, gibt es doch viele Menschen, die mutig und ausdauernd genug sind, sie zu erforschen.

Das Festival versteht sich als Mitmach-Festival. Wie können Besucher:innennen ihre eigenen Ideen einbringen und gibt es spezielle Formate für Mitgestaltung?

Das ganze Festival lebt u.a. durch die aktive Mitgestaltung der Teilnehmer:innen. Workshops, Konzerte, Ausstellungen, Diskussionen, Filmscreenings usw. werden nicht nur von Menschen veranstaltet, die schon in Freiräumen tätig sind, jede:r kann auf der Homepage bei den Räumen anfragen und wenn’s für die Betreiber:innen passt, dort veranstalten – wie z.B. Carina und Sarah, die schon immer einen Workshop zur Gewaltprävention anbieten wollten – und das jetzt in der Kometin einfach mal ausprobieren können, ohne extra einen teuren Raum dafür anmieten zu müssen. Außerdem gibt es bei den Veranstaltungen viele Formate, bei denen man sich selbst einbringen kann, wie Workshops, Diskussionen, interaktive Spiele, offene Werkstätten oder Plena. Ein sehr schönes Format diesbezüglich ist z.B. die Fishbowl-Diskussion im Radio Helsinki.

Welche Möglichkeiten haben Interessierte, um während des Festivals neue Freiräume und Initiativen kennenzulernen und sich mit anderen Teilnehmern auszutauschen?

Eine Möglichkeit ist natürlich, einfach zu den Veranstaltungen zu kommen. Außerdem findet jeden Abend in einem anderen Freiraum unser Festivalzentrum statt. Die Idee dahinter ist, dass man ungezwungen Grazer Freiräume und die Menschen dahinter kennenlernen, sich austauschen und vernetzen kann. Besonders schön ist, dass die Festivalzentren dieses Jahr von Foodsharing mit gerettetem Essen beliefert werden und wir beim gemeinsamen Abendessen den Tag ausklingen lassen können. Am allerbesten aber kommt man zum Abschlussfest, das dieses Jahr bei und mit der Lebensgemeinschaft CAMBIUM in Fehring stattfindet. Dort werden auch Vertreterinnen aus vielen Freiräumen vor Ort sein und es gibt, neben Workshops, Rundgang, Lagerfeuer und einem tollen Konzert-Line-Up eine Abschlussrunde in der Jurte in dem wir das Freiraumfest bei Tee Revue passieren lassen – dabei freuen wir uns auch besonders auf Inputs und Feedback von Teilnehmer:innen des Festivals.

Wie werden verschiedene Veranstaltungen für ein breites Publikum zugänglich gemacht?

Das passiert glaub’ ich ganz von alleine, da die Palette der Veranstaltungen so vielfältig ist, wie die Grazer Freiräume selbst - vom Queer-Café über englisches Impro-Theater, gesellschaftskritische Vorträge, Workshops, Lesungen, Tanzkurse, Meditation bis hin zur Performance mit dem erstbesten Clownstronauten der Welt, sollte für jede:n etwas dabei sein. Viele der Veranstaltungen wie z.B. das Café im Nest, Board-Dating, Gemeinsam Essen im Gmota oder die offenen Werkstätten und Ateliers sind zudem sehr niederschwellig angelegt. Wir haben, aufgrund einer Kritik, dieses Jahr außerdem versucht anzuführen, welche Veranstaltungen in anderen Sprachen als Deutsch abgehalten werden - meistens ist die zweite Sprache Englisch, beim Granny-Square-Workshop kann man sich aber z.B. auch auf Ukrainisch unterhalten.