Der Weg auf den Gipfel des Konsums
Kritik: Wanderlust Warenhaus, Thomas Verstraeten
Text: Robert Goessl - 14.10.2024
Rubrik: Theater
In der ungewöhnlichen Location eines Warenhauses, dem wahrscheinlich bekanntesten Konsumtempel von Graz, dem Modehaus Kastner & Öhler, findet diese Performance als ebenso ungewöhnliches Ereignis statt. Denn es wird von den Besuchern auch Bewegung verlangt.
Man trifft sich beim Eingang, wo aus den Besuchern mehrere Gruppen gebildet werden, die auf unterschiedlichen Wegen durch das Warenhaus geführt werden. Von Vogelgezwitscher begleitet (Sound Design: Senjan Jansen) wird man zur Wandergruppe, man muss Verantwortung für einander übernehmen, man muss zusammenbleiben und aufeinander achten. Und man macht dabei so richtig Meter, sowohl horizontal als auch vertikal. Erst geht es etwas nach oben, dann ganz bis zum tiefsten Punkt in der Tiefgarage, um am Schluss auf dem Dach zu landen – ein Gipfelsieg der anderen Art, gekrönt mit den obligatorischen Schnapserl.
Credit Johanna Lamprecht
Von der Natur eines Warenhauses
Was sich dazwischen abspielt, lässt einen die Konsumlandschaft mit etwas Fantasie als eine andere Art von Natur wahrnehmen, in die sich kleine Szenen eines intakten Landlebens einfügen, zumindest wie man es sich als Tourist*in oder als Touristiker*in vorstellt. Es werden nahezu alle Klischees zwischen Tal und Berg bedient: Menschen in Trachten machen das, was Menschen in Trachten so machen: Ein romantisches Picknick, sich auf die Jagd begeben, sich auf- und abseilen, das Brennholz für den Winter hacken und natürlich zu singen und Musik zu machen, wobei der Landler in der Damenunterwäsche-Abteilung inmitten von BHs und Höschen eine absurde Note bekommt. Und natürlich gibt es auch ein Schäferstündchen im Stroh mit Fliegen und Milchkannen, das ausnahmsweise ohne Tracht auskommt.
Credit Gernot Hutter
Die hintergründige Romantik
Man begegnet auch einem nach Worten suchenden Peter Rosegger, der sich mit der Sprache müht, die Romantik des Landlebens zu verklären, um sich letztendlich als ein Element darin wahrzunehmen. Manche dieser Elemente wirkten gekonnt deplatziert, wie zum Beispiel ein Angler, der einsam mit seiner ausgeworfenen Rute auf Bildschirme blickt, auf denen coole Wassersport-Action-Szenen zu sehen sind. Auch ein künstlicher Wald in den Untiefen der Tiefgarage, durch den gelangweilte Langläufer streifen, zeigt sich als Quintessenz der Künstlichkeit mit der die Natur verkauft wird.
Credit Gernot Hutter
In der Performance trifft der Konsum von Waren auf den Konsum von Klischees, auch das Land wird mit der beigefügten romantischen Verklärung verkauft. Beides wird in Bezug aufeinander präsentiert. Es wirkt wie eine Rückführung der Menschheit in alte Zeiten, als wir noch die Wälder als Jäger und Sammler durchstreiften, so wie heute die Natur eines Warenhauses auf der Suche nach den notwendigen und unnotwendigen Dingen, die wir für das Leben zu brauchen glauben. Die ländlichen Szenen mit den teilnahmslosen Menschen funktionieren dabei eher als Dekoration, die man wie eine Ware betrachtet, indem sie ihre Lebensweise, ansehnlich aufbereitet, für Touristenaugen verkaufen.
Credit Gernot Hutter