Verlorene als einsam Suchende im individuellen Wahrnehmungs- und kollektiven Klangraum

Kritik: Reise Lenz, elfenstein ensemble

Text: Robert Goessl - 29.07.2025

Rubrik: Theater
Kritik: Reise Lenz, elfenstein ensemble

Andrea Fischer (als Margarethe von Butt), Walter Ofner (als Stenn Wolds) , Martin Kreidt (als Ulrike Kraft) – Fotocredit: kuma

Die Welturaufführung des ersten Projektes des elfenstein ensembles im Theater am Lend versteht als technoide Sprachkunstoper. Dabei wird Georg Büchners Erzählung „Lenz“ textlich komprimiert und elektronisch vertont. Die drei Protagonist:innen verwandeln sich dazu in Kunstfiguren, die als „verlorene“ Charaktere den Text über einen ebenfalls Verlorenen und nach dem Sinn im Leben suchenden performen.

 
Kritik: Reise Lenz, elfenstein ensemble

Walter Ofner (als Stenn Wolds) und Martin Kreidt (als Ulrike Kraft) im Nebel – Fotocredit: kuma

Die Erzählerin mit festem Glauben

Andrea Fischer, die Erzählerin des Ensembles, wird zu Margarethe von Butt, einer ehemaligen Schülerin eines katholischen Klosterinternats, die den Glauben sucht und ihn deshalb nicht verloren hat. In diesem Sinn führt in die Performance ein, indem Sie ihre Weltsicht darlegt. Beim Glauben denkt sie dabei nicht so sehr an den religiösen oder gar katholischen Glauben, sondern an Glauben im Sinn von Hoffnung und als Basis des Vertrauens zwischen den Menschen auf dem Weg zum Wissen. Bevor man etwas wissen kann, muss man an etwas glauben. Sie sorgt auch immer wieder für Düsternis, indem sie demonstrativ Bühnennebel erzeugt, also ob das zu Sehende hinter einer schleierhaften Wand verschwinden soll.
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Andrea Fischer (als Margarethe von Butt) - Fotocredit: kuma

Der Musiker der Stille

Walter Ofner, der Musiker des Ensembles, verkörpert den Bergbauernsohn Stenn Wolds, der auf der Flucht vor einem Unwetter in eine Höhle aus deren Stille zur Musik fand, sich jedoch in der lauten Welt sich nicht zurechtfand, und sich in eine einsame Hütte in einem Wald zurückzog, wo abends den Tieren vorsingt. Er agiert auf der Bühne fast wie ein DJ zwischen Störgeräuschen und Rhythmus bis hin zu Synthie-Pop-Ansätzen und Techno-Beats, aber alles wird immer wieder von Stille unterbrochen. Es entsteht so kein durchgängiges Musikstück, sondern eine Sammlung von Sound-Fragmenten, die teils die Stimme unterstützen, aber auch einfach nur den Raum befüllen.
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Walter Ofner (als Stenn Wolds) - Fotocredit: kuma

Die Sprecherin mit Bildungshintergrund

Martin Kreidt, die Stimme des elfenbein ensembles, verwandelt sich in Karoline Ulrike Kraft, einer preußisch-protestantische Literaturliebhaberin, die sich vollständig dem klassisch-literarischen Bildungskanon verschrieben hat und ihn sehr ernst nimmt. Entsprechend theatralisch und ausdrucksstark – und manchmal auch übertrieben - fällt die Performance der Figur aus. Zwar bewegt er/sie sich nicht viel, dennoch scheint jeder Schritt mit Bedacht gesetzt und wird mit großem Gestus und strenger Mimik unterstützt.
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Martin Kreidt (als Ulrike Kraft) – Fotocredit: kuma

Ein Text erklingt im Raum

Auf diese Weise entsteht zwischen den Charakteren der Kunstfiguren und dem Text, in dem es um das zerrüttete Innenleben des Sturm-und-Drang-Dichters Jacob Michael Reinhold Lenz eine eigene Welt, in der die beiden Ebenen ineinandergreifen - eine Welt von in sich gekehrten Suchenden, die sich vorwiegend mit ihrem Ich beschäftigen, und die auch auf der Bühne kaum Interaktionen miteinander zeigen. Doch gemeinsam mit der Musik ergibt sich ein Konzentrat, das einen intensiven Wahrnehmungs- und Klangraum erzeugt, in dem die Protagonist:innen zu schweben scheinen, und der diese Performance zu einem Gesamtkunstwerk zwischen Einsamkeit, Empfindung und Erkenntnis macht.
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Walter Ofner (als Stenn Wolds), Martin Kreidt (als Ulrike Kraft) – Fotocredit: kuma

„Reise Lenz“ nach Georg Bühner vom elfenstein ensemble:

Musik: Martin Kreidt und Walter Ofner Libretto: Martin Kreidt Ausstattung: Andrea Fischer Darsteller:innen: Andrea Fischer, Martin Kreidt, Walter Ofner Andrea Fischer, Walter Ofner und Martin Kreidt Kreidt lernten sich bei gemeinsamen Projekten am Griessner Stadl kennen. Sie arbeiteten u.a. zusammen bei der Oper „Das Erdbeben in Chili“ nach Heinrich von Kleist 2022, oder bei „Die Protestanten“ von Thomas Perle, 2023 für den Nestroypreis nominiert. Im Sommer 2024 gründeten sie das elfenstein ensemble.
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Walter Ofner (als Stenn Wolds), Andrea Fischer (als Margarethe von Butt), Martin Kreidt (als Ulrike Kraft) – Fotocredit: kuma