Frau und Mann als Held: innen machtlos auf Augenhöhe

Kritik: Penthesilea. Ein Requiem, Christina Scheutz

Text: Robert Goessl - 06.10.2025

Rubrik: Theater
"Penthesilea. Ein Requiem" von Christina Scheutz

Christina Scheutz und Fredrik Jan Hofmann (Fotocredit: Leo Haberl)

„Penthesilea. Ein Requiem“ ist neben „Phädra in Flammen“ und „Kein Schicksal, Klytämnestra“ der zweite Teil einer Theater-Trilogie der in Georgien geborenen deutschen Dramatikerin Nino Haratischwili. Im Mittelpunkt stehen bei allen drei Stücken starke Frauen aus der griechischen Mythologie. Bei „Penthesilea“ beginnt die Handlung mit dem Eintreffen der Amazonen vor den Toren Trojas. Die Königin Penthesilea der stolzen Kämpferinnen soll sich in einem Entscheidungszweikampf um Leben und Tod mit dem griechischen Helden Achill messen.

Doch von der Glorie des Krieges ist bei Achill nur mehr wenig zu spüren. Der stolze Kämpfer ist des Abschlachtens müde. Aber die Gesetze des Krieges fordern weitere Opfer und weitere Held:innen. Doch dann passiert, dass sich Penthesilea und Achill bei einem Treffen ineinander verlieben – eine Liebe auf den ersten Blick. Während Achill, der auch noch immer den Tod seines besten Freundes Patroklos betrauert, bereit ist seinen Gefühlen nachzugeben, auch weil er mittlerweile im ganzen Kriegstreiben keinen Sinn mehr sieht, und seiner Darstellung als Helden auch nichts mehr abgewinnen kann, zögert Penthesilea, die frisch am Schlachtfeld, noch von den kriegerischen und männerverachtenden Idealen ihres Volkes beseelt ist.
"Penthesilea. Ein Requiem" von Christina Scheutz

Christina Scheutz und Fredrik Jan Hofmann (Fotocredit: Leo Haberl)

Die Held: innen zeigen sich zerbrechlich

In einem feinen Spiel tasten sich die beiden aneinander heran. Und so kommen sie sich in mehreren Treffen vor dem entscheidenden Zweikampf einander immer näher. Auf der einfach gehaltenen Bühne entwickeln sich Gespräche, in denen beide sich einander öffnen und sich gegenüber dem anderen verwundbar zeigen. Dabei glänzen die Schauspieler: innen mit Nuancen in ihrer Darstellung und befüllen mit wenigen Requisiten und stimmungsvollen Hintergründen, die zwischen Dämmerung und Mondnacht wechseln, den Raum mit ihrer Zerbrechlichkeit.
"Penthesilea. Ein Requiem" von Christina Scheutz

Christina Scheutz und Fredrik Jan Hofmann (Fotocredit: Leo Haberl)

Die Macht des Krieges ist stärker als jedes Heldentum

Doch sind sie den Gesetzen des Krieges ausgeliefert, es ist, als ob sie nicht über ihr Schicksal bestimmen können, denn das wahre Schicksal eines Helden oder einer Heldin ist es nun einmal, in einem glorreichen Kampf zu sterben, und bis in alle Ewigkeit besungen zu werden. Auch wenn sie den Kampf zweimal verschieben, treten sie doch am Ende gegeneinander an, um der Logik von Heldentum und Krieg zu gehorchen und eine großartige Show bis zum Tod zu liefern, in der paradoxen Situation, dass beiden das Leben des jeweils anderen wichtiger ist als das eigene. Im Gegensatz zum Original, in dem Achill Penthesilea erschlägt, liegen hier beide nach einem symbolischen Duell zum Schluss am Boden, in der Gewissheit, dass dieser Kampf keine Sieger: innen, sondern nur Verlierer: innen mit sich bringt.
"Penthesilea. Ein Requiem" von Christina Scheutz

Christina Scheutz und Fredrik Jan Hofmann (Fotocredit: Leo Haberl)

Fazit: Das Ausgeliefertsein des einzelnen in Zeiten von Krisen und Kriegen

Fernab vom Heldentum liefern sowohl Christina Scheutz, die auch für die behutsame Regie verantwortlich ist, als Penthesilea als auch Fredrik Jan Hofmann als Achill eine beachtliche darstellerische Leistung ab. Beide agieren dabei unabhängig von ihrem Geschlecht auf Augenhöhe, beide zeigen Respekt voreinander in einer Situation, der beide zu entkommen wünschen, aber aus der es kein Entkommen geben kann. Auch wenn das Grundthema dabei aus der Antike stammt, so wirkt das Ausgeliefertsein in einer Welt voller Krisen und Kriege doch sehr aktuell.
"Penthesilea. Ein Requiem" von Christina Scheutz

Fredrik Jan Hofmann und Christina Scheutz (Fotocredit: Leo Haberl)

„Penthesilea. Ein Requiem“ von Nino Haratischwili inszeniert von Christina Scheutz

Darsteller: innen: Christina Scheutz und Fredrik Jan Hofmann Regie: Christina Scheutz Musik: Laura Winkler Coaching: Birgit Schmidbauer, Robert Castle
"Penthesilea. Ein Requiem" von Christina Scheutz

Christina Scheutz und Fredrik Jan Hofmann (Fotocredit: Leo Haberl)