Von Mutter Teresa zu Taylor Swift in 80 Minuten
Kritik: Mission Mutter Teresa, KRA
Text: Robert Goessl - 23.09.2024
Rubrik: Theater
KRA bestehen im Kern aus Vera Kopfauf und Nora Köhler. Sie werden bei dieser Produktion verstärkt durch Alexandra Schmid, die zusammen mit Nora Köhler für das Konzept und die Regie verantwortlich ist.
Das Kollektiv KRA versteht sich als internationales Traumteam, das es sich zum Ziel gemacht hat, alle Konflikte auf der Welt zu lösen, und zwar indem man die komplizierten Zusammenhänge so lange vereinfacht, bis sich der Konflikt von selbst auflöst. Bei dieser nicht ganz ernst gemeinten Aufgabe wird so manch zynisches Detail sichtbar, vor allem weil dabei mit konsequenter Despektierlichkeit vorgegangen wird. Wenn aber die Zahl der zu lösenden Konflikte überhandnimmt, ist es Zeit, die Strategie zu wechseln, um eine allumfassende allgemeinere Lösung zu finden und damit der Menschheit Erlösung zu bringen. So lautet die einfache Botschaft, Nächstenliebe in den Köpfen aller Menschen zu verankern. Für diese große Aufgabe gilt es von den besten zu lernen, und die allerbeste ist zweifelsohne Mutter Teresa – das Symbol der Nächstenliebe schlechthin. Somit begeben sich KRA auf die Spuren dieses Covergirls des vorbehaltlosen Guten.
Credit: Michael Traussnigg
Die Reise zum Guten
Also auf nach Albanien, dem Herkunftsland Mutter Teresas, um dort Land und Leute kennenzulernen, und mit den Erkenntnissen aus der Reise und mit uneingeschränkter vorbehaltloser Nächstenliebe zurückzukehren. Doch ist der Weg steiniger als gedacht, wie der auf Großbildleinwand gezeigte Mockumentary (Miriam Schmid, Nora Köhler) beweist – auch Mutter Teresa war nicht fehlerlos: Sie hat auf Schmerzmittel verzichtet, damit sich die Menschen in ihrem Leid näher zu Gott fühlen konnten, die Hygiene im Umgang mit den Spritzen war auch etwas mangelhaft und der Umgang mit den Spendengeldern ein klein wenig fahrlässig, und ihre Meinung zum Thema Abtreibung ... lassen wir da die Details. Immerhin gibt es vor Ort auch eine Unzahl an Klumpert mit Mutter Teresas Abbild zu kaufen.
Credit: Michael Traussnigg
Glaube, Liebe, Hoffnung durch Verzeihen
Aber man kann ihr verzeihen, denn Vergebung ist ja das große Ding der katholischen Kirche, und genau dieses große Ding, kann man aufgreifen, denn auch die Kirche selbst benötigt einen Haufen davon, wie wir alle wissen. Die Mittel, Macht und Einfluss wären da ja vorhanden, und bei der Lesung aus den heiligen Grundbüchern wird klar, an finanziellen Mitteln mangelt es auch nicht wirklich. Strukturen sind ebenfalls vorhanden, es gehört nur da und dort etwas nachgebessert und ein wenig an der Art des Überbringens der Botschaft „Nächstenliebe“ inklusive eines zeitgemäßen Businessplans gearbeitet. Was liegt da also näher für KRA, als einfach die katholische Kirche übernehmen?
Credit: Michael Traussnigg
Die Messe wird gelesen, gespielt, getanzt und gesungen
Die Show beginnt in traumhafter rosa-lila Ästhetik mit wallenden Stoffen. Nora übernimmt als Priesterin der Popkultur und macht die Messe zum gigantischen Pop-Event (Choreografie: Maja Franke, Bühne & Kostüm: Katharina Heistinger). Sie behält aber deren Struktur bei, und man reagiert tatsächlich als Zuschauer – das seit Kindheitstage im Religionsunterricht gelernte wird instinktiv aufgerufen. Die Botschaft wird zum Star, der Star, also Nora, ist ihr Überbringer, die Form übernimmt den Inhalt, der Star wird zur Botschaft. Nächstenliebe kann nicht nur unterhalten, sie verkauft sich auch so, wie sie verkauft wird als Inhaltsbefreites Ritual, eingepasst in eine alte Struktur von katholischen Ritualen zwischen Fürbitten und Kommunion, deren ursprüngliche Bedeutung den meisten ohnehin längst unbekannt ist.
Credit: Michael Traussnigg
Ein fulminantes Finale
Zur von Jakob Kolb komponierten Musik kommt es zu einem Pop-Showdown, perfekt durchgestylt, jedes Element wirkt wie ein Designerstück. Vor uns performt Nora als Pop-Diva - verführerisch, erotisch, selbstbewusst. Sie verspricht uns, das Gute in die Welt zu bringen. Wir müssen nur an sie glauben! Bevor wir am Schluss nach dem ausgedehnten Ende in Frieden hingehen können. Und vielleicht kann man ja nach der Show auch noch den ein oder anderen Fanartikel erwerben.
Credit: Michael Traussnigg
Die rasante Performance ist eine zynische Aufarbeitung der Mechanismen, deren sich sowohl die Kirche als auch die mediale Popkultur bedient, sich zu Heilsbringern zu machen. Man stellt sich unwillkürlich die Frage, warum soziale Botschaften in Glamour gepackt werden müssen, damit sie ein großes Publikum erreichen und dabei eigentlich fast schon verloren gehen.
Credit: Kuma
zu sehen in der Kunsthalle Graz, Conrad-von-Hötzendorf-Straße 42a
am 25.09., 26.09., 30.09., 01.10., 02.10. jeweils um 20:00
Kartenlink
Details zu weiteren Missionen: https://www.kra.international