Opernerstling eines jungen Genies

Kritik: Le Villi von Puccini, Oper Graz

Text: Martin Exner - 05.06.2025

Rubrik: Musik
Kritik: Le Villi von Puccini, Oper Graz

Juergen Maurer, Grazer Philharmoniker. (Fotocredit: Marija Kanizaj)

Seit einigen Jahren pflegt die Grazer Oper eine feine Tradition: unbekannte, aber durchaus hörenswerte Opern, die schwer in Szene zu setzen sind oder bei denen nicht ausreichender Publikumszuspruch zu erwarten ist, in wenigen Aufführungen konzertant auf die Bühne zu bringen.

Das hat in den letzten Jahren beim interessierten Publikum schon öfter zu erstaunten Aha-Effekten geführt, etwa bei Bernsteins Candide, oder – wie kürzlich – bei Puccinis Erstlingswerk Le Villi.

Opernerstling eines jungen Genies

Der junge Giacomo Puccini beschloss 1876 – unter dem Eindruck einer Aufführung von Verdis Aida – fortan ausschließlich für die Bühne zu schreiben (was er dann aber Gott sei Dank nicht durchgängig eingehalten hat). 1883 reichte er bei einem Kompositionswettbewerb in Mailand sein Erstlingswerk Le Villi ein. Mit wenig Erfolg kam dennoch das Werk 1884 dank zahlreicher privater Unterstützung zur Uraufführung. Die Geschichte nach einer Erzählung von Alphonse Karr rund um eine junge, von ihrem Geliebten verlassene Frau, die vor Gram stirbt und sich den Willis – Geister von an gebrochenen Herzen gestorbenen Frauen – anschließt, um dann den reumütigen Geliebten in den Tod zu tanzen, verpackt Puccini in knackige 75 Minuten und bietet dem Opernfan dabei gleich einiges: üppig besetztes Orchester, ausladende Chorszenen, melodientrunkene Intermezzi und – neben der Standardbesetzung Sopran, Tenor, Bariton – auch einen Erzähler.

Und dem jungen Genie aus Lucca ist hier gleich ein kleines Meisterwerk gelungen. Lassen sich in den instrumentalen Passagen Einflüsse aus der französischen Musik (vor allem von Gounod und Massenet) erkennen, ist doch auch der typische italienische Opernstil seiner Zeit zu vernehmen (Anklänge an Catalani oder – später entstandene Opern – von Mascagni und Leoncavallo). Besonders interessant für Kenner der Opern Puccinis sind viele Passagen, die seine späteren Meisterwerke vorausnehmen: Da kann man schon Il tabarro heraushören, wie auch Szenen der Liù oder der Butterfly. Die durchgängig eingängige, von tänzerischen Elementen bis hin zu dramatischen Ausbrüchen durchsetzte Musik erfährt in den beiden Intermezzi zu Beginn des zweiten Teils der Oper ihre Höhepunkte – da zeigt sich schon ganz schön viel Meisterschaft!

Kritik: Le Villi von Puccini, Oper Graz

Eduardo Aladren, Aurelia Florian. (Fotocredit: Marija Kanizaj)

Starke Stimmen und sensible Orchesterführung

Die Aufführung in der Grazer Oper wird dem Werk beachtlich gerecht. Dirigent Marius Burkert führt umsichtig durch die Orchesterwogen, die von den gut disponierten Grazer Philharmonikern mit dezenter Italianità durchmessen werden. Gut auch der in diesem Werk viel beschäftigte Chor. Die drei Solist:innen bewältigen ihre durchaus hoch liegenden Partien ansprechend: Sopranistin Aurelia Florian berührt als betrogene Anna vor allem in den lyrischen Passagen, ihren Vater Guglielmo gibt James Rutherford mit geschmeidigem, vor allem in seiner großen Arie mächtig auftrumpfenden Bariton, während Eduardo Aladrén den untreuen Geliebten Roberto mit robustem Tenor und strahlenden Spitzentönen ausstattet.

Wohl als Unterstützung fürs Marketing hat man sich auch der Dienste des Schauspielers Juergen Maurer, bekannt aus Theater und Fernsehen, versichert, der sich als Erzähler leider nicht der Texte des Originals bedient, sondern – die Handlung immer wieder unterbrechend – durch das Stück führt, was ob des einfach verständlichen Inhalts der Oper nicht notwendig und in der Nonchalance der Präsentation nicht wirklich passend war. Immerhin, das Publikum fand es witzig.

Alles in allem aber eine gelungene Entdeckungsreise durch ein Erstlingswerk eines angehenden Genies, die man am 12. Juni noch einmal antreten kann – und darauf hoffen, dass uns die Grazer Oper zukünftig noch einiges Unbekanntes entdecken lässt.

Kritik: Le Villi von Puccini, Oper Graz

Marius Burkert, Grazer Philharmoniker. (Fotocredit: Mrija Kanizaj)

Kritik: Le Villi von Puccini, Oper Graz

Chor der Grazer Oper, Grazer Philharmoniker. (Fotocredit: Marija Kanizaj)