Feministisch-poetische Puppenspiel-Performance im Theater am Lend

Kritik: I she her, Vladyslava Chentsova

Text: Robert Goessl - 11.06.2024

Rubrik: Theater

Credit kuma

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Im Theater am Lend gastierte ein etwas anderes Puppentheater von vier ukrainischen Künstlerinnen. Die märchenhafte Collage aus verschiedenen Frauengeschichten basiert auf dokumentarischen Texten und Interviews mit ukrainischen Frauen. Eine überlebensgroße und kleine Puppen aus Stoff fungieren als Alter Egos von Frauen, bewegt und verändert von den Performerinnen als Ausdruck der verschiedenen Lebensstadien einer Frau und den Stereotypen, mit denen sie im Laufe ihres Lebens konfrontiert wird.

Die Performerinnen Vladyslava Chentsova (auch für Konzept und Regie verantwortlich), Olena Bazhenova, Kateryna Lyubchenko und Yulia Linnik tasten sich mit ihren Bewegungen und ihrem Spiel an eine Wirklichkeit heran, zeigen Narben an Körper und Seele der Frau, die im Laufe eines Lebens anfallen. Zwischen zarten Übergängen schlüpfen sie in Figuren früherer Generationen und gegenwärtigem Selbstbewusstsein, zwischen Gehorsam und Schmerz, zwischen Verzweiflung am Althergebrachten und der Sehnsucht nach einem selbstbestimmten glücklichen Leben auch in Zeiten des Krieges. Dabei wird vor allem die überlebensgroße wandelbare Stoffpuppe, eine Art Übermutter, als Ausdrucksmittel benutzt (Puppen und Ausstattung Margot Sarkisova).

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Geschichten, die das Leben schreibt

Trotz der teilweise bedrückenden Themen wird die Performance von einer Leichtigkeit getragen. Spielerisch werden die unterschiedlichsten Geschichten miteinander verknüpft: Von der Geburt und den ambivalenten Gefühlen gegenüber der Mutter auf der Suche nach den eigenen Wünschen in einer Welt voller Einschränkungen. Vom selbstbewussten Auftreten gegenüber den Partnern und dem Entdecken der eigenen Wehrhaftigkeit in einer Männerwelt. Vom angsterfüllten unterdrückendem Leben unter einem Patriarchen, unter dem die Großmutter zu leiden hatte und dessen Überwindung nach seinem Tod.

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Auf der Bühne wird in 50 Minuten aus vielen Splittern ein Leben zusammengesetzt, fantasievoll und in schönen Körperbildern, das wie ein bunter Traum wirkt, manchmal etwas zu grausam, manchmal etwas zu schön. Dabei entsteht eine kraftvolle poetische Darstellung von den Ängsten und den Sehnsüchten und Stationen eines Frauenlebens damals wie heute.

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