Wenn die Komik durch die Hörbarkeit der Gedanken sichtbar wird
Kritik: Hinter der Fassade, Theater im Keller
Text: Robert Goessl - 01.08.2025
Rubrik: Theater
Die Sommerproduktion des Theaters im Keller widmet mich zum dritten Mal in Folge einem Stück des französischen Dramatikers und Filmemachers Florian Zeller. Bei der Open-Air-Vorstellung im Innenhof des Landesarchivs am Karmeliterplatz stehen zwei Paare im Mittelpunkt, die nicht immer das aussprechen, was sie sagen wollen. Trotzdem erfährt das Publikum alles.
Denn Patrik (Leo Weingerl)und Laurence haben sich getrennt. Das Problem daran ist, dass Laurence die beste Freundin von Isabelle Tamara Belic ist, die wiederum mit Daniel Alfred Haidacher verheiratet ist, der wiederum Daniels bester Freund ist. Vor allem Isabelle ist stinksauer auf Patrik, weil er ihre beste Freundin für eine junge sehr attraktive Emma Bianca Hanžel verlassen hat. Somit hat sich bei zwei sehr eng befreundeten Ehepaaren die Konstellation und das Beziehungsgeflecht entscheidend verändert. Soweit das solide Komödien-Grundsetting – der entscheiden Kniff im Stück von Florian Zeller ist, dass die wahren Gedanken der Protagonist:innen für das Publikum hörbar sind - sie werden aus dem Off eingespielt.

Alfred Haidacher, Tamara Belic (Credit: Max Wegscheidler)
Szenen einer Ehe zwischen Lüge und Selbstverleugnung
Mit diesem Kniff geht es gleich zu Beginn zur Sache: Daniel will seiner Frau Isabell erzählen, dass er mehr aus Gedankenlosigkeit und Verlegenheit Daniel mit seiner neuen Flamme zum Essen eingeladen hat, doch er traut sich nicht so richtig. Und so braucht es mehrere Versuche, die alle scheitern und er sich dann doch nicht traut, es ihr zu sagen. Dabei ergibt sich ein herrliches „Stellungsspiel“ auf der Bühne, und die Hintergedanken werden mit toller Mimik unterstützt. Es ist eine Art abtasten, bei der sich die Unsicherheit Daniels und die Souveränität Isabells zeigt. Je mehr Daniel versucht, taktisch geschickt vorzugehen, desto tiefer reitet er sich hinein. Am Ende lügt er sogar, und behauptet, er hätte die Einladung bei einem zufälligen Treffen mit Patrik ausgeschlagen, und lässt sich sogar zur Aussage „Patrik habe den Fehler seines Lebens begangen“ hinreißen. Doch wird er durch seine Frau gerettet, die meint, er sollte doch seinen Freund anrufen, um ihn nun doch einzuladen. Schließlich sei man nicht im Kindergarten, mit dem Hintergedanken, ihre „Feindin“ Emma kennenzulernen und beim Treffen für böses Blut zu sorgen. Paradoxerweise ist Daniel dann stolz auf sich, wie taktisch perfekt und souverän er an sein Ziel gelangt ist.

Alfred Haidacher, Tamara Belic (Credit: Max Wegscheidler)
Zwei Egos auf der Suche nach Bestätigung
Als dann Patrik und Emma erscheinen, setzt sich das Spiel fort. Isabelle benimmt sich absichtlich kalt und die beiden Männer beginnen einander auch abzutasten. Doch auch Daniel scheint auch von Emma fasziniert zu sein. Nicht nur in seinen Gedanken, die immer wieder etwas hilflos ins Erotische abbiegen, auch physisch auf der Bühne versucht er ihr näherzukommen. Seine Frau beobachtet das mit begrenztem Argwohn, man meint, sie weiß ziemlich genau, was im Kopf ihres Pappenheimers vorgeht. Sie wirkt sogar teils belustigt vom merkwürdigen Verhalten ihres Mannes. Während Emma die wohl einzige Person im Stück ist, die keine bösen Hintergedanken hegt, sondern einfach jung und unbedarft das sonderbare Verhalten der drei anderen über sich ergehen lässt, und dabei schon ein ganz klein wenig mit Daniel spielt, sucht Patrik Bestätigung bei seinem Freund für seine Trophy-Wife, auf die er schon ein wenig stolz ist, ebenso wie Daniel ständig bei Emma Bestätigung für seine noch immer für ihn vorhandene Attraktivität sucht und hofft diese über seine Kochkunst zu finden.

Bianca Hanžel, Tamara Belic, Alfred Haidacher, Leo Weingerl(Credit: Max Wegscheidler)
Kleine und große Gehässigkeiten unter der Oberfläche zeigen auf humorvolle Weise die Unsicherheiten auf
Die Inszenierung unter der rasanten und gut durchdachten Regie von Bernd Sračnik sprüht vor Situationskomik, und die Schauspieler:innen zeigen große Spielfreude. Die Dialoge zwischen Isabelle und Daniel von Tamara Belic und Alfred Haidacher sind die Höhepunkte des Abends. Sie wirken wie ein altes Ehepaar, bei dem der Mann gewohnt ist, sich selbst und seiner Frau etwas vorzuspielen und die Frau ihn dabei mehr oder weniger ständig durchschaut, wobei Daniel seine Hilflosigkeit immer wieder als eine sehr besondere Form der Souveränität wahrnimmt. Während Patrik versucht sich, als Besieger seiner Midlife-Crisis von seinem Freund feiern zu lassen, um damit sein schlechtes Gewissen zu übertünchen, scheint seine neue Freundin Emma die einzige Person zu sein, die niemanden etwas vorspielt.
Etwas schade ist, dass gegen Ende hin die Hintergedanken aus dem Off weniger werden, obwohl ganz am Schluss die Lüge auf der Bühne gespielt wird, während die Wahrheit in den Gedanken sichtbar wird, sodass es einem schon ein wenig kalt über den Rücken läuft.

Leo Weingerl, Alfred Haidacher (Credit: Max Wegscheidler)
„Hinter der Fassade“ von Florian Zeller vom Theater im Keller
mit: Tamara Belic, Bianca Hanžel, Alfred Haidacher, Leo Weingerl
Bühne: Malik/Egger/ Haidacher/Sračnik
Technik: Maude Maure
Kostüme: Eva Weutz
Regieassistenz: Phaedra Brenke
Regie: Bernd Sračnik
im Innenhof des Landesarchivs, Karmeliterplatz 3
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Leo Weingerl, Tamara Belic, Alfred Haidacher, Bianca Hanžel (Credit: Max Wegscheidler)