Getanzte Hommage an die kollektive Ekstase

Kritik: Follia!, Oper Graz

Text: Lydia Bißmann - 07.04.2025

Rubrik: Theater
Kritik: Follia!, Oper Graz

Yuka Eda, Mireia Gonzáles-Fernández, Leonardo Germani, Fabio Agnello, Ensemble Ballett Graz bei Broken Lines (Fotocredit: Andreas Etter)

Die Choreograf:innen Iratxe Ansa, Igor Bacovich und Maura Morales brachten mit ihrem zweiteiligen Ballettabend Follia! erneut modernes Ballett auf die Bühne und inspirierten das Ballettensemble der Grazer Oper zu künstlerischen und körperlichen Höchstleistungen. Das sorgte für Begeisterung und lang anhaltende Standing Ovations.

Follia bedeutet auf Italienisch so viel wie Wahnsinn oder Rausch. Mit Broken Lines und La Folia zeigte das Ballettensemble der Oper Graz auf sehr unterschiedliche Weise, aber mit unglaublicher körperlicher Kraft und Emotion, die Faszination des gemeinsamen Tanzes.

Broken Lines, choreografiert vom Duo Iratxe Ansa und Igor Bacovich, arbeitet mit Musik von Bryce Dessner, die teilweise vom Kronos Quartet interpretiert wird. Das Überthema der beiden Produktionen – eine kollektive Tanzwut, die Straßburg zu Beginn des 16. Jahrhunderts wochenlang erfasste – wird hier mit einer zurückhaltenden Lichtstimmung und viel Gelb inszeniert. Bis auf eine Tänzerin (Savanna Haberland) tragen alle Kostüme in derselben Senf-Farbe. Das sorgt für Uniformität, während verschiedene Schnitte und Details die Individualität der Tänzer:innen betonen sollen. Das etwas blassere Kostüm der weiblichen Figur lässt sie aus der Menge hervorstechen – sie wird zur Initiatorin der Ekstase, die nicht enden will. Gruppenszenen wechseln sich mit Zwei- und Dreierkonstellationen ab – klassische Ballettfiguren treffen auf Improvisation und modernen Tanz. Die Tänzer:innen formieren sich wie in einem unendlichen Wirbel immer wieder neu – ein eigener Organismus, der pulsiert, sich wandelt und ständig neu entsteht.

Kritik: Follia!, Oper Graz

Ensemble Ballett Graz Broken Lines . (Fotocredit: Andreas Etter)

Tanzmaschinen zu Trance-Musik

Im zweiten Teil des Abends rückt die Gruppenperformance noch stärker in den Vordergrund. La Folia ist ursprünglich ein barocker Volkstanz mit strengen Regeln, der in der Choreografie von Maura Morales im Laufe des Stücks kräftig aufgebrochen und in seine Einzelteile zerlegt wird. Die Musik (Michio Woirgardt) nimmt hier eine vollkommen andere Rolle ein: Sie wird archaischer, mechanischer, brachialer. Das Ensemble verwandelt sich zunehmend in eine Tanzmaschine, einen eigenen Organismus, der sich auf der Bühne wie eine Medusa – oder auch wie eine große, graue Maschine – bewegt. Kleine Interventionen wie Nebel, der aus dem Kleid der Protagonistin (Mireia Gonzáles-Fernández) quillt, dezente Netzmasken oder rot beleuchtete Kleiderbügel durchbrechen die dunkelgraue Farbgebung der Kostüme. Einzelne Szenen und die immer elektronischer werdende Musik erinnern an eine Club-Tanzfläche, wo die einzelnen Tanzenden ebenfalls Teil einer großen Masse werden und gemeinsam der Rauschenergie des Taktes Respekt zollen. 

Follia! ist nach Bach Variations in der Saison 2023/24 und Sacre! im Herbst 2024 eine weitere Inszenierung modernen Tanzes auf der Bühne der Oper Graz. Tosender Applaus und Standing Ovations zeugen von der Begeisterung des Grazer Publikums, das sich erneut mit offenem Herzen auf die Faszination von Körper, Rhythmus und Inspiration eingelassen hat.



Kritik: Follia!, Oper Graz

Savanna Haberland (Fotocredit: Andreas Etter)

Follia!

Broken Lines – La Folia. Zweiteiliger Ballettabend mit Musik von Bryce Dessner und Michio Woirgardt. Besetzung: Choreographie: Iratxe Ansa / Igor Bacovich / Maura Morales Kostüme: Iratxe Ansa / Igor Bacovich / Maura Morales / Silke Fischer Licht: Iratxe Ansa / Igor Bacovich / Grace Morales Suso Dramaturgie: Katharina Rückl / Mattia Scassellati

Aufführungen bis zum 11. 6., genaue Termine hier.

Kritik: Follia!, Oper Graz

La Folia (Fotocredit: Andreas Etter)

Kritik: Follia!, Oper Graz

La Folia (Credit: Andreas Etter)

Kritik: Follia!, Oper Graz

Mireia Gonzalez Fernandez in La Folia. (Fotocredit: Andreas Etter)