Liebe als bewusste Entscheidung bei newsOffStyria 2025
Kritik: Feelings are not enough, Emma Berentsen/Hanna Rohn/Julia Rohn
Text: Robert Goessl - 11.09.2025
Rubrik: Theater
Im Rahmen von newsOffStyria gestalten Emma Berentsen, Hanna Rohn und Julia Rohn eine Performance, die die gleichnamige Installation im 'Büro zur Rettung der Welt' in der Annenstraße 20 vertieft. Ausgehend vom Gedanken, dass Liebe nicht nur ein Gefühl, sondern eine bewusste Entscheidung ist, entfaltet sich im Raum zwischen zerbrochenen Geschirr und Anleitungen selbstständig auf Karten vorgeschlagene „Acts of Love“ durchzuführen eine Versuchsanordnung, die die Ideen der Installation reflektiert und auch gleich einmal ausprobiert.
Gleich zu Beginn macht Hanna Rohn bei der Begrüßung des Publikums klar, dass die Performance nicht für sich allein steht, sondern als Teil der Installation zu verstehen ist. Sie lädt die Zuschauer ein, den Raum nach der Performance selbst zu nutzen, um zum Beispiel aus den Bruchstücken mittels Heißklebepistole etwas Neues zu gestalten. Das Trio versteht auch die Location bewusst als nach Außen offen, was nicht zuletzt auch an den Schaufenstern des Raums in Richtung Annenstraße liegt, denn alles, was sich im Raum abspielt, kann auch von Vorbeigehenden beobachtet werden.

Emma Berentsen, Hanna Rohn, Julia Rohn (Fotocredit: kuma)
„Schreibe einen Liebesbrief an ein Objekt deiner Kindheit“ als „Act of Love“
Von der Annenstraße kommend übergibt Hanna Rohn Emma Berentsen einen Brief – die sentimentale Antwort des Kirschbaums ihrer Kindheit, auf den sie geklettert ist und hinter dem sie sich versteckt hat. Die Liebe zu den vordergründig kaputten Objekten geht weiter. Ein Tisch wird feierlich und voller Anmut gedeckt, allerdings mit zerbrochenem Geschirr, und es scheint dabei keine Bedeutung zu haben, dass das Wasser aus einer Kanne durch die Bruchstücke hindurchrinnt. Bei einem friedlichen Sit-in vor dem Tisch wird der wertschätzende Umgang mit den Scherben fortgesetzt. Sie werden penibel geputzt, vorsichtig aneinandergelegt und auch auf den Armen platziert, um dann am Tisch feierlich abgelegt zu werden. Die Bruchstücke sind nicht nur sichtbar, sie werden auch wertgeschätzt, ohne die Angst, scheinbar unvollkommenes sichtbar zu machen.

Julia Rohn, Emma Berentsen, Hann Rohn (Fotocredit: kuma)
Künstlerlinnen und künstliche Intelligenz: „Liebe als Gefühl ist uns nicht genug gefühlt“
Während Emma Berentsen am Tisch aus den Bruchstücken eine Skulptur gestaltet, benutzt Julia Rohn andere als Vorlagen für eine Zeichnung. Die unter dem Tisch liegende Hanna Rohn befragt indessen eine KI nach Möglichkeiten für ein verantwortungsvolles menschliches Zusammenleben.
Die KI-Vorschläge klingen vernünftig, à la zwischenmenschliche Brücken zu bauen, könnten aber auch aus jeder beliebigen Sonntagsrede stammen. So muss Mensch dann doch selbst Hand anlegen und an seinen Bruchstücken und denen in seiner unmittelbaren Umgebung arbeiten und auch den Mut zu haben, sich einzugestehen, dass das Zulassen von Vielfalt nichts für Feiglinge ist.

Emma Berentsen, Hanna Rohn, Julia Rohn (Fotocredit: kuma)
Was man gerne repariert hätte
Es geht darum, in sich zu gehen, sich zu hinterfragen, Schuld einzubekennen, und einfach einmal damit zu beginnen, Wünsche auszusprechen und zu versuchen, kleine wie große Dinge zu „reparieren“ – sei es das Weltklima oder eine Handlung, die man gegenüber jemandem bereut. Als metaphorische Idee dahintersteht die japanische Technik Kintsugi, bei der beim Zusammenfügen von zerbrochenem Porzellan die Bruchstellen mit Goldlack sichtbar gemacht und damit veredelt werden. So kann man dann auch als einen „Act of Love“ mit einem goldenen Stift zwischen zwei Körpern die eigenen und anderen Bruchstellen sichtbar veredeln als Zeichen der gegenseitigen Wertschätzung und Toleranz gegenüber dem anderen.

Julia Rohn, Hanna Rohn, Emma Berentsen (Fotocredit kuma)
Ein Tanz auf die Annenstraße als „Act of Love“ für die Welt
Diese wunderbare Übung der Achtsamkeit verbunden mit der Zurückhaltung des eignen Egos, die mit einem Tanz auf der Annenstraße endet, wirkt wie ein Traum, den wir alle träumen sollten. Dass dem Ganzen in seiner atmosphärischen Bedächtigkeit auch noch eine gehörige Portion Poesie innewohnt, verleiht der Performance eine eigene Magie, auch wenn sie zur Vernunft rät. Der offene Raum lädt ein, sich nicht in seine eigenen Gefühle zurückzuziehen, und diese dann als Ausrede für die eigene Abschottung zu missbrauchen, sondern bewusst zu versuchen, Liebe als einen „Act of Love“ der Nächstenliebe zu begreifen, auch wenn das auch mit unangenehmen Gefühlen verbunden ist, denn „wahre Vielfalt schmerzt“. So ist auch ein Vorschlag auf den Karten der Installation zu verstehen:
„Denk an einen Akt der Liebe, den du auf deinem Heimweg machen kannst. Mach es!“

Fotocredit: kuma
„Feelings are not enough“ im Annenviertler Büro zur Rettung der Welt, Annenstrasse 20, Graz
Konzept, Performance, Installation:
Emma Berentsen, Hanna Rohn, Julia Rohn
Termine:
11.09. und 12.09. 13-18 Uhr, Performances jeweils um 16.30 Uhr
Ticketreservierung für Performances:
feelingsarenotenough@gmail.com

Julia Rohn (Fotocredit: kuma)

Fotocredit: kuma

Fotocredit: kuma