„Dass die uns retten, die wir retten, ist kein Geheimnis“

Kritik: Enkel Engel, Theater im Keller

Text: Robert Goessl - 02.04.2025

Rubrik: Theater
Enkel Engel, Theater im Keller

Credit: Wegscheidler/TiK

Das neue Stück von Sophie Reyer beschäftigt sich mit dem Verständnis über Generationen hinweg in einer dysfunktionalen Familie und dem ausbeuterischen Umgang mit ausländischen Pflegekräften.

Wenn der sechzehnjährige Sohn Florian ( Gareth Ammer) akute Symptome von Faulheit und Desinteresse zeigt, nachdem ihn der Vater (Michael Spiess) extrem autoritär und cholerisch zu Selbständigkeit treiben und die Mutter (Stephanie Laurich) ihn noch immer wie ein Kleinkind umsorgen möchte, schickt man ich am besten zur dementen Großmutter (Ingird Muner mit einer eindrucksvollen Performance), die liebevoll von einer ungarischen Pflegerin (Ute Veronika Olschnegger sensibel und authentisch in ihrer Darstellung) betreut wird. Sie wohnt in einem Haus am Land, weit genug weg, um sie nur wenige Male im Jahr besuchen zu müssen, vor allem weil sich der Vater auch für den Zustand seiner Mutter schämt, auch wenn sich ihm dabei die Chance bietet, an der Pflegerin seine Aggressionen abzubauen.

Kampf und Aufmerksamkeit

Nachdem die Eltern verschwunden sind, kommt es zu einer sympathischen Annäherung zwischen der Pflegerin, der Oma und Florian, je unterbrochen von Besuch seines Gras-Dealers Ronald (Manuel Gölles), der zwar gutes Zeug mitbringt, aber der Pflegerin an die Wäsche möchte. Florian verteidigt sie und bekommt dafür ein blaues Auge ab. Während die Oma nun von beiden umsorgt wird, kommt man sich zwischen Hip-Hop und Kiffen näher und Florian findet in einem alten Notizheft der Oma, dass sie alle seine ersten Worte, die er als Kind gesprochen hat, aufgeschrieben hat. Das berührt ihn tief, denn er ist von seinen Eltern nicht gewohnt, dass man ihm derartige Aufmerksamkeit schenkt.
Enkel Engel, Theater im Keller

Credit: Wegscheidler/TiK

Der Enkel als der wirkliche Engel

Die Oma taucht immer wieder in ihre Traumwelt ab, in der sie sich aus ihrem Rollstuhl entfernen kann, denn sie hat einen Engel (Leo Weingerl), der schon die ganze Zeit wenig sichtbar in Tarnkleidung vor einem Landschaftspanorama im Bühnenhintergrund steht und der ihr die Angst vor Schmerz und Tod nehmen soll. Doch so einfach ist das nicht, denn der Engel ist nicht wirklich ein Ich, er ist ein Lufthauch in der Natur, der keine Macht und das Selbst der Menschen nicht versteht. Als dann die Eltern zum Geburtstag der Oma wieder kommen und auch um Florian auch wieder abzuholen, hat sich Florian geändert – er will sich nicht nur mehr um Oma kümmern. Er wagt es auch seinen Eltern selbstbewusster und mit mehr Selbstwertgefühl gegenüberzutreten und wird so zu einem realen Engel für seine Großmutter.

Es kommt auf den Umgang an

Die Inszenierung von Eva Weutz, die zusammen mit Alfred Haidacher auch für Bühne und Ausstattung zuständig ist, wirkt auf den ersten Blick sehr bodenständig, driftet aber immer wieder in Fantastische ab, in die Welt der Vorstellungen und Wünsche, auch wenn die Realität nach wie vor grausam ist. Doch am Ende kommt es darauf an, wie man miteinander als Menschen in der Wirklichkeit umgeht oder wie der Engel am Ende spricht: „Dass die uns retten, die wir retten, ist kein Geheimnis. Was bleibt? Es gibt mich nicht.“
Enkel Engel von Sophie Reyer Darsteller:innen: Ingrid Muner, Gareth Ammerer, Stephanie Laurich, Ute Veronika Olschnegger, Leo Weingerl, Manuel Gölles, Michael Spiess Regie: Eva Weutz Technik: Ilias Mouaddib Kostüme: Eva Weutz Bühne: Alfred Haidacher, Eva Weutz Zu sehen im Theater im Keller am 04.04., 05.04., 09.04., 10.04., 11.04., 12.04., 23.04., 24.04.jeweils 20:00 30.03., 06.04., 27.04. jeweils 19:00 Online-Ticketreservierung