Jordi Saval, der Grandseigneur der Alten Musik beim Finale

Kritik: Ein Meer der Musik & Das Feuer der Musen, Styriarte

Text: Martin Exner - 21.07.2025

Rubrik: Musik
Jordi Savall an seiner Gambe

Jordi Savall an seiner Gambe. (Fotocredit: Werner Kmetitsch)

Der katalanische Gambist, Ensemble-Gründer und -Leiter sowie Stammgast beim steirischen Festival beschenkte seine zahlreichen Fans mit zwei außergewöhnlichen, wie auch konträren Abenden.Jordi Savall – der Grandseigneur der Alten Musik prägt das Finale der diesjährigen styriarte.

Zunächst lud Savall zu einem intimen Abend in die Helmut-List-Halle (ja, wenn man es kann, geht auch das!), der unter dem Titel Das Feuer der Musen elisabethanische Consortmusik aus dem 16. Jahrhundert in den Mittelpunkt stellte. Das Musiker:innen-Ensemble, bestehend aus drei Gamben, Consortbass und Laute bzw. Gitarre, rekrutierte sich aus dem formidablen Ensemble Hespèrion XXI, das Pavanen und Galliarden so feingliedrig und homogen intonierte, wie man es in der weiten Musikwelt nicht besser zu hören bekommt – und dazu noch die beiden ausgezeichneten Sänger:innen aufmerksam und klangschön begleitete: Sopranistin Elionor Martínez, deren schlanker, angenehm vibratoarmer Sopran ideal für diese Musik ist, genauso wie der elegante Countertenor von William Shelton – die von beiden gemeinsam gesungenen Canzonette waren ob der Reinheit des Gesangs und der absoluten Harmonie die Höhepunkte des Abends.


Das vielfältige Programm hatte Melancholisches (wie William Byrds Elegie für den verstorbenen Kollegen Thomas Tallis oder Anthony Holbornes The Tears of the Muses), wie auch beschwingte Canzonette (wie Byrds La Virginella) parat und gipfelte in Meisterwerken John Dowlands, dessen Now, O now, I needs must part an ergreifendem Wohlklang nicht mehr zu überbieten war. Das begeisterte Publikum erklatschte sich auch drei Zugaben, in denen Savall & Co. bewiesen, dass sogar die Opernmusik des Orpheus Britannicus, Henry Purcell, in Consort-Besetzung zu überzeugen weiß. Eine Chaconne und ein Duett aus dessen Fairy Queen rundeten einen großartigen Abend ab.

Jordi Savall inmitten seiner multinationalen Truppe

Jordi Savall inmitten seiner multinationalen Truppe. (Fotocredit: Werner Kmetitsch)

Ein musikalisches Weltpanorama gegen das Vergessen

Abends darauf konnte das Publikum erneut in der Helmut-List-Halle eines jener Programme erleben, in denen Jordi Savall historische Personen oder Ereignisse in großen musikalischen Kontext stellt: diesmal die vier Jahrhunderte dauernde Zeit des europäischen Sklavenhandels. In Ein Meer der Musik bereist er mit seinen Ensembles und musikalischen Gästen Afrika, Amerika und die Karibik, um jene Millionen zu Wort kommen zu lassen, die dem grausamen Menschenhandel der europäischen Kolonialmächte zum Opfer fielen. Schauspieler Bless Amada las dazu eindrücklich aus Berichten, Reisedokumenten und Deklarationen.
Eine wahre Heerschar an Sängerinnen und Sängern bevölkerte die Bühne, die Musik – vielfältiger Herkunft aus Amerika, Guinea, Mali, Mexiko, Kolumbien, Brasilien, Kuba, Haiti – reichte vom Klage- zum Wiegenlied, vom religiösen zum Sklavengesang. Herausragendes Fundament dieser musikalischen Vielfalt war wieder der Hespèrion XXI und Savalls exquisites Gesangsensemble La Capella Reial de Catalunya – gerade wenn diese gemeinsam musizierten, spürte man die Weltklasse, die da am Podium versammelt war.


Das ungute Gefühl, dass erst im Jahr 1998 in einer Petition an die UNO gefordert wurde, den Sklavenhandel als Verbrechen gegen die Menschlichkeit einzustufen, wurde in einer mitreißenden Zugabe mit schwungvoller kubanischer Musik weggewischt. Ein bunter, aber auch leicht bedrückender Abend, der die finalen Standing Ovations verdient hatte.