Filmische Gratwanderung: radikal, roh, relevant

Filmkritik: Der Soldat Monika, Paul Poet

Text: Sigrun Karre - 31.03.2025

Rubrik: Film und Kino
Der Soldat Monika, Paul Poet

Credit: Freibeuter Film

Auf der diesjährigen Diagonale sorgt Paul Poets Film für Aufsehen, der Mut zum Widerspruch beweist. Zwischen Genderaktivismus und rechter Szene, zwischen Superheldinnen-Fantasie und Neonazi-Realität entfaltet sich ein trashig-visionäres Psychogramm unserer zerrissenen Gegenwart. Ein wilder Ritt durch die Bruchstellen der Identität – verstörend, klug, kompromisslos.

Paul Poets Film „Der Soldat Monika“ aus 2024 feierte nach vierjähriger Drehzeit bei der Diagonale Österreich-Premiere. Der semifiktionale Dokumentarfilm porträtiert Monika Donner, die als Person größtmögliche Widersprüche in sich vereint: Als transsexuelle Militärstrategin und linke Gender-Aktivistin wird die Juristin spätestens ab dem Ausbruch der Corona-Pandemie Teil der rechten Szene in Österreich, die eine globale Weltverschwörung wittert – samt Rothschild und weiterem antisemitischen Feindbild-Repertoire.

Dass sich Poet an dieses Minenfeld wagt, zeugt von radikalem Mut. Wie er das macht, ist ein bisschen irrsinnig – und verdammt klug. Auf der Diagonale läuft „Der Soldat Monika“ in der Sparte Dokumentarfilm, das wird der filmischen Collage nicht wirklich gerecht, die sich jeder Genrezuordnung entzieht. Neben Monika Donner und ihrer Frau Jasmin Donner sind mit Sarah Zaharanski, Mateja Meded, Maria Hofstätter, Philipp Hochmair und Roland Düringer bekannte Schauspieler:innen zu sehen und mehr oder weniger zufällig auch einige Vertreter:innen der Corona-Demo-Szene.

Der Soldat Monika, Paul Poet

Credit: Freibeuter Film

Das Ich als Kampfzone

Schon die erste Szene trifft mit voller Wucht ins Zwerchfell: Monika Donner rezitiert ein Gedicht des jungen Adolf Hitler. Paul Poet begegnet seiner Protagonistin auf Augenhöhe und schafft das Kunststück, ihr einen sicheren Raum zu geben, in dem sie sich authentisch zeigt. Zugleich lässt er ihre durchwachsene Gedankenwelt – oder – heikelste Szene – ein Treffen mit dem Rechtsradikalen Gottfried Küssel nicht unkommentiert stehen. Poet löst solche Situationen nicht mit moralischem Zeigefinger, sondern integriert den Diskurs gleich mit in den Film: Da sitzen dann Monika Donner und die mit Rechtextremismus befasste Politwissenschafterin Natascha Strobl sowie Queerfeministin Nathalie Rettenbacher gemeinsam im Ruderboot mitten am See und diskutieren. Der in Pandemiezeiten selbst als Corona-Demonstrant in Erscheinung getretene Roland Düringer (an anderer Stelle als Monikas Vater zu sehen) stellt klar, wo seine Grenzen liegen, z.B. bei der Gesprächsbereitschaft mit einer Schlüsselfigur der Neonaziszene, wie sie Gottfried Küssel ist. Trotz Reflexion und Diskurs bleibt der Film meilenweit von einer trockenen Doku entfernt, sondern ist trashig, verstörend und – fast fragt man sich, ob das erlaubt ist – höchst unterhaltsam zugleich. Für die musikalische Krawall-Power sorgt – Nomen est Omen – das geniale Berliner Noise-Trio Gewalt, das sich auf die Kombination von brachialer Gitarrenmusik mit deprimierenden Lyrics spezialisiert hat.

Der Soldat Monika, Paul Poet

Credit: Freibeuter Film

Reenactment als Seelenarbeit

Comics, Träume, Archivbilder – und eine Bühne fürs Unbewusste: In einer assoziativen Montage lässt Poet Schauspieler:innen Donners Vergangenheit verkörpern. Ex-Partnerinnen, Eltern, Alter Ego – alle treten auf, um prägende Momente ihres Lebens zu reenacten und innere Konflikte sichtbar zu machen, die sich jeder einfachen Chronologie entziehen. Auch Frauenbilder schieben sich ins Bild – überzeichnet, animiert, als fantastische Comic-Superheldinnen. So entsteht ein faszinierend vielschichtiges Psychogramm eines Menschen, der in seinem Ringen um Freiheit und Identität verschiedene soziale und politische Szenen durchstreift, doch letztlich zwischen allen Stühlen sitzt und rätselhaft bleibt. Der Film ist dabei nicht nur Porträt einer Person, sondern auch Spiegel unserer Zeit: zersplittert, widersprüchlich, voller Brüche – und voller Bedürfnis nach schnellen Kategorisierungen. Besonders eindrücklich: die authentischen Einblicke in die rechte Szene, die beunruhigend nah wirken. Der Soldat Monika ist nicht zuletzt eine puzzleartige Hommage an die Zumutbarkeit menschlicher Komplexität. Die Erzählung bleibt fragmentarisch und offen, das Publikum wird mit Ambivalenzen konfrontiert – und das mit wohltuender Konsequenz. Poet verzichtet vollständig auf den gerade so en vogue gewordenen Regie-Kommentarstil, bei dem man sich selbst erklärt, um bloß niemandem auf die Füße zu treten. Dieser Film traut seinem Publikum etwas zu: Denken, Fühlen, Aushalten – ohne pädagogische Anleitung. So (und vielleicht nur so) geht Aufklärung. Ganz großes, dunkelbuntes Kino – und mein bisheriges Highlight auf der diesjährigen Diagonale. Kinostart ab 23.04.2025